Ferguson. Der weiße Polizist Darren Wilson wird nicht für seine Todesschüsse auf den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown in der US-Kleinstadt Ferguson (Missouri) angeklagt. Die Entscheidung sorgte für großen Unmut in der Bevölkerung, Proteste schlugen in Gewalt um.
Seine Eltern hatten eindringlich darum gebeten, der Gouverneur dafür geworben, der Präsident persönlich darauf gedrungen - vergebens. Dreieinhalb Monate nach den tödlichen Polizeischüssen auf den 18-jährigen Afro-Amerikaner Michael verpufften am späten Montagabend in Ferguson vorübergehend alle Appelle an Vernunft und Friedfertigkeit.
Nachdem Bezirksstaatsanwalt Robert McCulloch in einer 25-minütige Rede dargelegt hatte, warum eine vorgerichtliche Jury entschied, Officer Darren Wilson ein ordentliches Gerichtsverfahren zu ersparen, spielten sich hässliche Szenen in dem mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Vorort von St. Louis im Bundesstaat Missouri ab.
Fensterscheiben von Geschäften, die von den Inhabern nicht rechtzeitig mit Holzplatten verrammelt waren, wurden von wütenden Demonstranten eingeschlagen, mehreren Läden regelrecht geplündert, fünf niedergebrannt. Dazu gingen mindestens zwei Polizeiautos in Flammen auf. Auf Steine-, Molotow-Cocktail- und Flaschen-Würfe reagierte die passiv von der Nationalgarde unterstützte Polizei brachial: Mit massivem Einsatz von Tränengas, Rauchbomben und Pfefferspray wurden Menschenansammlungen wie vor der Polizeiwache in Ferguson auseinandergetrieben. Offizielle Berichte über Verletzte lagen zunächst nicht vor.
Browns Tod löste in Amerika eine Debatte aus
Am 9. August war Brown von dem weißen Polizisten Wilson in Ferguson nach einer bis zuletzt undurchsichtig gebliebenen Konfrontation erschossen worden. Der Fall löste wochenlange Proteste und Krawalle aus. Die Polizei ging im Sommer mit gepanzerten Wagen und roher Gewalt gegen die Demonstranten vor. Browns Tod löste überall in Amerika eine erneute Debatte über den Umgang der Polizei mit dunkelhäutigen Männern aus. Die Ordnungsmacht musste sich den Vorwurf von Willkür, Diskriminierung und Rassismus gefallen lassen. In Ferguson sind 53 Polizeibeamte beschäftigt, nur drei sind schwarz.
Seit dem 20. August beriet eine Jury aus neun Weißen und drei Afroamerikanern in 25 Sitzungen über die Frage, ob Wilson angeklagt werden muss, weil Brown unbewaffnet war. Dazu wurden 60 Zeugen gehört, Dutzende Experten für Forensik bis Waffenkunde kamen zu Wort. Die möglichen Anklagepunkte reichten von Mord mit Vorsatz bis zu fahrlässiger Tötung. Am Ende, so referierte Staatsanwalt McCulloch, sahen die Laien-Juristen nicht genügend Ansatzpunkte, um Wilson vor ein ordentliches Gericht stellen zu lassen. Wie das Abstimmungsergebnis im einzelnen aussah, wollte der Chefankläger nicht sagen. Neun von zwölf Stimmen reichten aus, um Wilson unbehelligt davon kommen zu lassen.
Entscheidend sei am Ende gewesen, dass die Juroren der Kern-Aussage Wilsons nichts entgegensetzen konnten, wonach es sich um Notwehr gehandelt habe. Der Beamte, der insgesamt 12 Schüsse auf Brown abgab, wovon sieben trafen, sagte, er habe um sein Leben gefürchtet, als der 1,90 große und 136 Kilogramm schwere Brown auf ihn zugestürmt sei.
Für Berichte, wonach der Teenager, der kurz vor seinem tragischen Ende einen Ladendiebstahl begangen hatte, sich mit erhobenen Händen ergeben habe, gab es laut McCulloch keine klare Linie bei den vielen Augenzeugen. McCulloch lobte die Geschworenen. „Sie haben mit viel Einsatz und Leidenschaft Fakten von Fiktion getrennt.“ Nur sie seien in der Lage gewessen, jeden Zeugen ausgiebig zu befragen und sämtliche Beweisstücke in Augenschein zu nehmen.
Demonstranten skandieren „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“
Vor der Polizeiwache in Ferguson löste das „historische schlimmste Vorurteil in der Geschichte dieser Stadt“, so ein Demonstrant gegenüber unserem Portal, erst Schockstarre und kurz danach kalte Wut aus. „Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“, skandierten die Demonstranten, darunter viele angereiste Afroamerikaner.
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Benjamin Crump, Anwalt der Eltern Michael Browns, die sich für ihren Sohn vier Minuten der Stille gewünscht hatten, nannte den Ausgang der vorgerichtlichen Prüfung einen "Skandal". Anstatt es einer Jury zu überlassen, hätte der Bezirksstaatsanwalt die Vorwürfe gegen Officer Wilson sofort in einem transparenten Gerichtsverfahren untersuchen lassen sollen, sagt der bekannte Verteidiger.
Offen bleibt, ob die Bundesregierung in Washington den Spruch der Jury ignoriert - sie hat das Recht dazu - und demnächst einen eigenen Prozess anstrengt. Gerechnet wurde damit gestern Nacht in Ferguson nicht.