Berlin. . Mit der Zuwanderung steigt in Deutschland auch die Zahl der Abschiebungen. Aus der Politik kommt wieder die Forderung nach schnellen Verfahren.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwartet in diesem Jahr bis zu 300.000 Flüchtlinge und Asylbewerber – 2014 waren es noch 202.834, damals ein Anstieg von 60 Prozent. „Der Zuwanderungsdruck wird anhalten“, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), dieser Zeitung.

61 Prozent der deutschen Bürger sind laut einer Erhebung gegen die Einwanderung aus Nicht-EU-Ländern. Der Verdruss wächst auch in der Politik. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) fordert vom Bund schnellere Asylverfahren. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Antrags liegt bei sieben Monaten, doppelt so lang, wie im Koalitionsvertrag von SPD und Union vorgesehen.

100.000 Menschen in Deutschland "geduldet"

Andererseits: Was nützen schnelle Verfahren, wenn die Konsequenzen ausbleiben? Viele rot-grün geführte Länder würden im Winter darauf verzichten, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben, beklagt Bosbach. „Wer im Herbst kommt, kann zumindest ein halbes Jahr bleiben.“

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Fakt ist, dass im vergangenen Jahr 10.844 Menschen abgeschoben wurden, so viele wie seit Jahren nicht mehr. Nicht wenige gehen freiwillig zurück, immerhin 9317 im letzten Jahr. Wahr ist aber auch, dass es rund 145.000 Ausreisepflichtige gibt, wovon etwa 100.000 Menschen geduldet werden.

"Ein hausgemachtes Problem"

In 141 Fällen setzten sich Flüchtlinge gegen ihre Abschiebung zur Wehr. Manchmal lehnen Fluggesellschaften sie als Passagiere ab. Manchmal verweigern die Zielstaaten ihre Aufnahme. Andere Flüchtlinge finden in Kirchen Asyl, für andere setzen sich Bürgerinitiativen ein. Es gibt viele humanitäre Gründe, einen Flüchtling zu dulden. Mit jedem Tag verfestigt sich auch der Aufenthalt. Wer politisch verfolgt wird oder vor einem Krieg flieht, darf bleiben; und oft genug auch viele andere. Das spricht sich schnell herum.

Die Praxis hält der CDU-Politiker für ein „hausgemachtes Problem“. Dazu zählt er ebenso die Aufhebung der Visa-Pflicht für Serbien: „Ein Fehler.“ Viele Flüchtlinge kommen aus oder via Serbien ins Land. Nun hofft Bosbach, dass der nächste Fehler vermieden wird: „Ich kann nur dringend davor warnen, Bulgarien und Rumänien in den Schengen-Raum einzubeziehen.“ Zwischen den Staaten im Schengen-Raum kann sich jeder grenzenlos bewegen, zum Beispiel nach Deutschland reisen.

40.000 Asylanträge in Italien, 200.000 in Deutschland

Noch krasser fällt die Diskrepanz zwischen Recht und Praxis in der EU aus. Der Asylantrag muss dort gestellt werden, wo ein Flüchtling zum ersten Mal ein Land der EU erreicht, in der Regel an einer Außengrenze. Etwa in Italien. 2014 wurden dort 40.000 Asylanträge gestellt, aber 200.000 in Deutschland.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Italien Flüchtlinge nicht immer registriert und viele weiterziehen lässt. Die Mehrheit kommt über sichere Nachbarstaaten nach Deutschland, weiß auch der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann. Gegen Italien, aber auch gegen Griechenland laufen Vertragsverletzungsverfahren. Doch hat Bosbach nicht das Gefühl, dass die EU „sie mit Nachdruck betreibt“.