Essen. . Die Dienstzeit mehrerer SPD-Oberbürgermeister im Revier endet. In Bochum kündigt Ottilie Scholz ihren Abschied an. Die Nachfolger brauchen neue Qualitäten.
Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) hat am Donnerstag die Spekulationen um ihre politische Zukunft beendet: Die 66-Jährige will im September – nach elf Jahren im Amt – nicht mehr kandidieren. Das Ringen um ihre Nachfolge begann in der Bochumer SPD nur wenige Minuten nach Scholz’ Ankündigung.
Nicht nur in Bochum, sondern auch in Oberhausen, Herne, Hattingen und anderen Revierstädten deutet sich ein Generationswechsel an. Einige der altgedienten, „volkstümlichen“ SPD-Oberbürgermeister, deren Horizont nicht selten an der eigenen Stadtgrenze endet, treten ab. An ihre Stelle dürften vielerorts andere Politikerpersönlichkeiten rücken: jung, dynamisch, weitgehend ideologiefrei.
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Es war einmal: der Patriarch. Raue, bodenständige, Ruhrdeutsch sprechende SPD-Oberbürgermeister wie der Dortmunder Günter Samtlebe († 2011), von dem Sätze wie dieser überliefert sind: „Das schönste am Wein ist das Pils danach.“ Doch die letzten verbliebenen Rathaus-Patriarchen bereiten ihre finale Schicht vor.
Horst Schiereck (66 Jahre, OB in Herne) ist so einer: knorrig wie ein alter Stamm und der geborene Versammlungsleiter. Schiereck hört im Oktober auf, und SPD-Fraktionschef Frank Dudda (51) hat Chancen, für die Sozialdemokraten anzutreten. Dudda, so heißt es, ist offener und lockerer als Schiereck. Eine andere Generation halt.
In Bochum begann gestern schon der Zweikampf zwischen dem örtlichen SPD-Parteichef und Landtagsabgeordneten Thomas Eiskirch (44) und Fraktionschef Peter Reinirkens (57) um eine Kandidatur.
Egal wie das Duell ausgeht – so bürgernah wie Scholz ist keiner von beiden. Eiskirch kann gut reden und schaut weit über den Bochumer Tellerrand hinaus. (böse Zungen sagen: „ein Verkäufertyp“); Reinirkens hat was von einem Lateinlehrer: eher nachdenklich, belesen, vorsichtig.
In Oberhausen ist Klaus Wehling (67) kein harter Macher oder Patriarch, geht aber als Kumpel und Kümmerer alter Schule durch. Doch Wehling will nicht mehr, und die SPD-Basis hat schon einen Nachfolgekandidaten ausgeguckt: Apostolos Tsalastras (50), Stadtkämmerer, energischer und charmanter „Verkäufer“ von Politik.
Die als bodenständig unjd bürgernah geltende Dagmar Goch (65), Bürgermeisterin von Hattingen, wird ebenfalls im Oktober ihr Rathausbüro räumen. Über den SPD-Nachfolge-Kandidaten Manfred Lehmann (55) ist in der Stadt recht wenig bekannt. Er kommt aus der Landesfinanzverwaltung.
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Ob sich Dagmar Mühlenfeld (65, OB in Mülheim) erneut zur Wahl stellen wird, steht noch nicht fest. Zur „Patriarchengarde“ kann man die umtriebige Mühlenfeld trotz des erreichten Rentenalters ohnehin nicht zählen. Ungewiss ist auch die erneute Kandidatur von Sonja Leidemann (54) in Witten.
Sie gilt als machtbewusst, hat sich aber mit Teilen ihrer Partei überworfen. In Essen streitet die SPD über die Zukunft des eigenen OB Reinhard Paß (59). Fest im Sattel sitzen die gerade wiedergewählten Ullrich Sierau (Dortmund), Frank Baranowski (Gelsenkirchen), Bernd Tischler (Bottrop), der Hammer CDU-Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann sowie Sören Link (Duisburg).
Rathaus-Chefs als Problemlöser und Krisenlotsen
„Die Rathauschefs der Zukunft werden Problemlöser und Krisenlotsen sein. Überparteilicher als ihre Vorgänger, also auch wählbar für Bürger, die nicht aufs Parteibuch schauen“, sagte der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte dieser Zeitung.
Link, Baranowski und Tischer verkörpern heute schon diesen neuen OB-Typ: Menschen, die moderieren und nicht polarisieren.
Forscher Korte erkennt allerdings in diesem Wandel eine Chance für andere Parteien, die SPD-Vorherrschaft in den Revierstädten zu brechen: „Sie müssen dann allerdings Leute aufstellen, die diese neuen Qualitäten mitbringen.“ Die Patriarchen sind ein Auslaufmodell. In allen Parteien.