München. Beim Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße wurden 22 Menschen verletzt. Am Montag wurden drei Beamte im Münchner NSU-Prozess dazu befragt.

„Nein, wir haben für uns keinen Zusammenhang gesehen.“ Ruhig antwortet der 57-jährige Sprengstoffexperte des Landeskriminalamtes (LKA) in Nordrhein-Westfalen. Er ist am 173. Verhandlungstag im Münchner NSU-Prozess als Zeuge geladen. Opferanwalt Eberhard Reinecke wollte von dem Kriminalhauptkommissar wissen, ob die Ermittler einen Zusammenhang zwischen zwei Anschlägen in Köln gesehen hätten – dem Nagelbombenanschlag vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße und dem Sprengstoffanschlag auf den Laden einer syrischen Familie in der Probsteigasse vom Januar 2001.

Der Ermittler war an beiden Tatorten mit der Spurensicherung betraut gewesen. Laut Anklage sollen beide Anschläge von Mitgliedern der mutmaßlichen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) begangen worden sein. Ein NSU-Bekennervideo, das nach dem Auffliegen der Gruppierung im November 2011 bekannt geworden ist, beinhaltet beide Anschläge.

Opfer von damals ist heute Ärztin

Am Morgen des 19. Januar 2001 war in dem Büroraum des Ladenlokals der Familie ein in einer Weihnachtsdose versteckter Sprengsatz explodiert. Die ältere Tochter hatte versucht diese zu öffnen. Dabei erlitt die Abiturientin lebensgefährliche Verletzungen. In einem beeindruckenden Zeugenauftritt vor Gericht machte die heutige Ärztin im Vorjahr deutlich, dass sie und ihre Familie sich durch diesen Angriff nicht aus Deutschland haben vertreiben lassen.

Auch interessant

Am Nachmittag des 9. Juni 2004 explodierte ein auf einem Fahrrad montierte Strengsatz vor einem Friseurgeschäft in der Keupstraße. Die Ermittler hatten 702 etwa zehn Zentimeter lange Zimmermannsnägel gefunden, die dem Sprengsatz beigemischt gewesen sein sollen, erklärte der Ermittler dem Gericht. Splitter seien in einer Entfernung von bis zu 250 Meter vom Explosionsort gefunden worden. Die Wucht der Detonation sei so stark gewesen, dass Nägel sogar über die mehrstöckigen Gebäude in der Keupstraße geschleudert wurden, so der Zeuge.

Dutzende Tatortfotos der Polizei, die über mehrere Stunden im Gericht gezeigt wurden, zeigten anschaulich die angerichteten Zerstörungen. Anhand der Bilder erklärte ein weiterer Ermittler, wo die Nagelbombe platziert gewesen sein muss. Nach seinen Angaben wurden bei dem Anschlag 22 Menschen verletzt. In der Keupstraße im Kölner Stadtteil Mühlheim leben überwiegend Menschen türkischer Abstammung. Trotzdem hatte die Polizei bei ihren damaligen Ermittlungen nie ernsthaft ein ausländerfeindliches Motiv für die Tat in Erwägung gezogen.

Verwendete Bombenteile waren "handelsüblich"

Mit der Vernehmung der Düsseldorfer LKA-Beamten am 173 Verhandlungstag beginnt der Staatsschutzsenat im NSU-Prozess die Beweisaufnahme zu dem Nagelbombenanschlag von 2004. Nach Angaben 57-jährigen Kriminalhauptkommissars ist es den Ermittler damals gelungen, den Sprengsatz zu rekonstruieren. Die dafür verwendeten Teile sollen alle „handelsüblich“ gewesen sein, so dass es keine besonderen Hinweise auf die Täter gab.

Auch interessant

Gezündet wurden rund 5,5 Kilogramm Schwarzpulver, in einer blauen Camping-Gasflasche. Als Zünder soll eine Glühbirnenwendel gedient haben. Um die Bombe aus sicherer Entfernung auszulösen, hätten die Täter eine Fernsteuerung aus dem Flugmodellbau verwendet. Der Kriminalist räumt ein, dass nur der Empfänger rekonstruiert werden konnte. Ein möglicher Sender sei nie gefunden worden.

Nach den Ermittlern sollen in der kommenden Woche die ersten Betroffenen und Opfer des Anschlags als Zeugen vor Gericht aussagen. Für nächsten Dienstag hat die Initiative „Keupstraße ist überall“ unter dem Motto „Für eine Gesellschaft ohne Rassismus“ zu einem Aktionstag vor dem Münchner Gericht aufgerufen. Die Initiatoren fordern über die Gerichtsverhandlung hinaus eine schonungslose Aufklärung des gesamten NSU-Komplexes.