Essen. Die Landesgesellschaft Energy4Climate berät Kommunen bei der Wärmeplanung. Lösungen und Hürden benennt Experte Carsten Petersdorff im Podcast.

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Mit der Abschwächung des Heizungsgesetzes der Bundesregierung gewinnen Hausbesitzer ein paar Jahre Zeit, die beste Heizungsart für sich zu finden – dagegen müssen die Kommunen umso mehr Gas geben. Sie sollen je nach Größe bis 2026 oder 2028 Wärmepläne aufstellen, anhand derer ihre Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel sehen können, ob für sie Fernwärme infrage kommt oder Geothermie, zentrale Großwärmepumpen oder ob sie doch eine auf Biogas umrüstbare Gasheizung oder einen Holzpelletofen einbauen wollen.

Nachfragen unserer Lokalredaktionen zeigen, dass die Städte im Ruhrgebiet hier noch in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Die einen, etwa Dortmund und Bochum, haben mit der Wärmeplanung bereits begonnen, vor allem kleinere Revierstädte wie Gladbeck oder Hattingen stehen noch ganz am Anfang. Das zu ändern versuchen Experten wie Carsten Petersdorff, der bei der Landesgesellschaft Energy4Climate den Bereich Gebäude und Wärme leitet. Sein Team hilft Kommunen und Wohnungsunternehmen dabei, die richtige Wärmestrategie aufzustellen.

„Extrem wichtig, dass wir jetzt loslegen“

„Wenn wir es schaffen wollen, bis 2045 klimaneutral zu sein“, sagt Petersdorff in unserem Podcast „Die Wirtschaftsreporter“, dann sei es „extrem wichtig, dass wir jetzt loszulegen“. Ein kommunaler Wärmeplan solle für jeden einzelnen die Basis für seine Entscheidung werden, welche Lösung im eigenen Haus die beste ist. Auch er sieht sehr unterschiedliche Voraussetzungen in den Städten. „In der Tat haben sich einige bereits auf den Weg gemacht und sind schon weiter in ihrer Planung. Andere setzen sich jetzt erst damit auseinander“, weiß er. Das Gute sei aber, dass jetzt alle Kommunen erkennen, sich hier aufstellen zu müssen.

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Dabei beraten Petersdorff und sein Team die Kommunen, identifizieren Hindernisse und Wege, sie zu überwinden. Oft brauchen die Kommunen auch nur Starthilfe: „Wer sich neu mit dem Thema auseinandersetzt, weiß oft nicht genau, was die unterschiedlichen und die ersten Schritte sind“, sagt der Energieexperte. Was Energy4Climate gerne macht: „Wir bringen mehrere Kommunen in Starterworkshops zusammen, damit sie die ersten Schritte machen können.“ Erfahrungen anderer Kommunen würden dabei helfen, weil sie zeigen, was bisher gut funktioniert und was weniger.

Worauf welche Stadt setzt, hängt natürlich von den Voraussetzungen ab. Fernwärme etwa kann einzelne Viertel komplett versorgen, in Randbereiche des Ruhrgebiets kommt sie aber gar nicht erst hin. Auch Petersdorff sieht gerade für das Ruhrgebiet ein großes Potenzial für Fernwärme. Bei Zielen, die Richtung 50 Prozent der Haushalte gehen, ist er aber vorsichtig. „Eine Verdopplung oder Verdreifachung, wovon die Verbände reden, wäre schon sehr erfreulich“, sagt der Experte für die Wärmewende in den Gebäuden. Aktuell heizen bundesweit rund 14 Prozent der Haushalte mit Fernwärme.

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Eine zentrale Rolle werde auch die Wärmepumpe einnehmen, ist Petersdorff sicher. Im Neubau sei sie bereits Standard. Da viele Immobilienbesitzer noch etwas Zeit haben, kann er gut verstehen, dass man Gasheizungen, die noch einige Jahre laufen können, auch weiter nutzt. Wozu er aber rät: „Wer die finanziellen Möglichkeiten hat, sollte jetzt darüber nachdenken, sein Haus energetisch fit zu machen.“ Erstens spare das sofort Verbrauchskosten. Zweitens käme dann eine Wärmepumpe je nach Dämmung kleiner ausfallen und auch die Vorlauftemperatur gesenkt werden. All das mache das neue Heizungssystem langfristig wirtschaftlicher.

Holzpellets nicht massentauglich

Was er nicht als massentaugliche Lösungen sieht, sind Holzpellets und neue Gasheizungen, die laut Heizungskompromiss der Ampel weiter erlaubt sind, wenn sie auch mit Wasserstoff laufen können oder Biogas nutzen. „Ich glaube nicht dass wir Gas eins zu eins mit Wasserstoff oder grünen Gasen ersetzen können. Aber dafür machen wir ja die kommunale Wärmeplanung, durch sie werden wir einen realistischen Blick auf die Rolle von Wasserstoff bekommen“, sagt Petersdorff.

Carsten Petersdorff, Bereichsleiter Wärme und Gebäude bei NRW Energy 4 Climate.
Carsten Petersdorff, Bereichsleiter Wärme und Gebäude bei NRW Energy 4 Climate. © NRW.Energy4Climate | Marc Thürbach

Ausnahmen seien natürlich denkbar, etwa wenn in der Nähe von Wohngebieten ein Industriebetrieb auf Wasserstoff umstelle. „Dann mag es Straßenabschnitte geben, womöglich mit denkmalgeschützten, nicht gedämmten Gebäuden, für die weiter Gas und später Wasserstoff eingesetzt wird.“ Holzpellets seien in ländlichen Bereichen in Einzelfällen vielleicht sinnvoll, die Potenziale aber begrenzt.

Hausbesitzer, die jetzt schon planen wollen, bestärkt Petersdorff, dies auch zu tun. Sie müssten nicht auf die Fertigstellung der Wärmepläne ihrer Stadt warten. „Ich kann schon jetzt mit den Energieversorgern sprechen, einige wissen genau, in welchen Gebieten sie ausbauen wollen oder nicht“, so Petersdorff.

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Die ersten Rückmeldungen aus den Ruhrgebietsstädten lassen erahnen, dass die Menschen im Ruhrgebiet je nach Wohnort kürzer oder länger auf den Wärmeplan ihrer Kommune werden warten müssen. In Bochum etwa haben die Stadtwerke das Projekt „Wärmewende“ bereits im vergangenen Jahr abgeschlossen und nehmen es nun als Basis für die Wärmeplanung. Das Fernwärmenetz soll verdoppelt werden, die Pläne im Detail bis Herbst stehen.

Bochum setzt auf grünen Wärme-Mix

„Zudem haben wir bereits Ideen für eine vollständige Dekarbonisierung leitungsgebundener Wärme entwickelt“, sagte Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn unlängst. Perspektivisch werde es einen „Mix aus Solarthermie, Biomasseheizwerk, Tiefengeothermie oder auch der Nutzbarmachung weiterer Grubenwasserwärme aus stillgelegten Steinkohlebergwerken geben müssen“, erklärte Spohn.

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In Witten wollen die Stadtwerke mit einer Bestandsaufnahme der Anschlüsse für Strom und Gas beginnen. In einem zweiten Schritt wolle man sich einzelne Gebiete anschauen und überlegen, wo welche Art der Wärmeerzeugung sinnvoll sei. Ganz am Anfang stehen auch Gladbeck und Hattingen. Gladbeck schließt sich mit den Nachbarstädten Gelsenkirchen und Bottrop zusammen, um einen gemeinsamen Wärmeplan zu erstellen. Anders als für die Großstädte Gelsenkirchen und Bottrop bringt das mittelfristig aber eine Beschleunigung mit sich: Denn mit ihren gut 75.000 Einwohnern hätte die Stadt mit ihrem Wärmeplan bis 2028 Zeit gehabt, da Großstädte aber zwei Jahr früher fertig werden müssen, müsste dies auch Gladbeck sein.

Hattingen will Gas durch Wasserstoff ersetzen

Interessant ist der Ansatz der Stadtwerke Hattingen: Sie setzen auf grünen Wasserstoff, der durch das bestehende Gasnetz in die Häuser und Wohnungen geliefert werden soll. Ab wann und in welchen Mengen der wo verfügbar sein wird, ist aber die ganz große Preisfrage, die noch niemand beantworten kann. Fast alle Energieexperten gehen deshalb davon aus, dass Wasserstoff in näherer Zukunft keinen großen Beitrag zur Wärmewende in Wohngebäuden leisten kann. Andererseits gäbe es eine weitere Option, wenn Hattingen das Gegenteil beweisen sollte.