Berlin. . 15 tote Wölfe lagen in diesem Jahr schon auf den Obduktions-Tischen der Wissenschaftler. Die meisten wurden überfahren — aber auch erschossene Tiere sind dabei. Deshalb werden die Kadaver immer öfter ein Fall für den Kriminaltechniker.

Schon wieder einer: Fünf Stunden hat Tierpathologin Claudia Szentiks am Montag am Seziertisch verbracht, um einen toten Wolf aus dem Kreis Bautzen zu obduzieren. Das Tier wurde erschossen, wie seit Dezember 2013 in Sachsen schon zwei weitere vor ihm. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) steuert damit auf einen traurigen Rekord zu: Bei 15 toten Wölfen aus kooperierenden Bundesländern hatten die Forscher allein 2014 die Todesursache zu klären. "2012 und 2013 hatten wir je etwa ein Dutzend pro Jahr, die Zahl ist also ganz schön angestiegen", sagt Szentiks.

Die Untersuchung ist Teil der Länderstrategien, die Rückkehr der Wolfsfamilien zu begleiten - in fünf Ländern leben schon wieder mehrere Rudel, weitere bereiten deren Rückkehr vor.

Meistens werden Wölfen Verkehrsunfälle zum Verhängnis, etwa in Brandenburg. Doch unter insgesamt 75 tot aufgefundenen Wölfen seit 1999 sind auch knapp ein Dutzend illegal getötete Exemplare dokumentiert. "Über die genaue Anzahl lässt sich nur spekulieren", sagt Moritz Klose, Referent für Wolfsschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

Örtliche Behörden schicken Kadaver zur Untersuchung

Örtliche Behörden schicken gefundene Kadaver oder Skelette ans IZW, zunächst zu Tierarzt Guido Fritsch. Er sitzt an den Hebeln einer mächtigen CT-Röhre: einem hochmodernen bildgebenden Gerät. "Dieser Wolf hat nach einem Unfall so viele Knochenbrüche, dass sich kaum noch sagen lässt, was davon die Todesursache war", sagt Fritsch und zeigt auf Risse an einem Skelett, die ihm am Computer angezeigt werden.

Hat ein Tier Schusswunden, werden die Forscher zu Forensikern. Sie ermitteln Schmauchspuren, Schussrichtungen und verwendete Munition. Szentiks zerlegt, fotografiert, dokumentiert. Ganz so einfach wie in Fernsehserien sei das nicht, erzählt die Forscherin. Auch überführt würden Täter nur selten. Es gelang in einem Fall, wie sie erzählt: Weil sich der Schütze mit dem Erlegen eines Wolfs gebrüstet hatte.

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Enger mit dem Landeskriminalamt (LKA) zusammenzuarbeiten, ist Ziel des IZW: "Die Leute müssen vor Ort nachschauen, ob noch Geschosspartikel zu finden sind, ob das Tier dort gestorben ist oder abgeladen wurde", sagt Szentiks. Bislang finde man wohl öfter Tiere, die nicht unmittelbar am Tatort verendeten. "Weitere Wölfe verschwinden einfach, Taten werden offenbar verschleiert." Der Nabu fordert mittlerweile, dass es in den Landeskriminalämtern auch Spezialisten für Artenschutz geben sollte.

Vorbehalte gegen Wölfe seien häufig eine Frage der Generationszugehörigkeit. Grund sind Märchen und Gerüchte, in denen Wölfe nicht gut wegkommen, "aber das ist an den Haaren herbeigezogen", sagt die Biologin Ines Lesniak. Fünf tödliche Angriffe tollwütiger Wölfe auf Menschen hat es laut Nabu in 50 Jahren gegeben: "Werden Wölfe als Wildtiere behandelt und zum Beispiel nicht gefüttert, geht von ihnen keine Gefahr aus", sagt Klose.

Auch nicht als Krankheitsüberträger, wie Claudia Szentiks betont: "Alle seit 1999 getesteten Wölfe waren frei von Tollwut. Die Krankheit spielt allenfalls bei importierten, illegal gezüchteten Hunden eine Rolle." Krankheiten wie Hundestaupe sind von Tier zu Tier übertragbar, stellen aber keine Gefahr für den Menschen dar. In den Organen der IZW-Wölfe finden sich eher Parasiten wie Bandwürmer, wie Lesniak erläutert. Kein Anlass zur Sorge um die hiesige Population.

Wölfe sind keine Konkurrenz für Jäger

Wölfe seien keine Konkurrenz für Jäger, auch wenn sie ihnen "leichte Ziele" wegnehmen, wie Szentiks sagt: "Der Wolf jagt neben Jungtieren kranke und schwache Tiere, was den Wildbestand reguliert." So etwas wie ein "Problemwolf" wird aus Sicht der IZW-Experten erst durch den Abschuss geschaffen - wenn Jungwölfe allein "wie ein Kind ohne Erziehung" aufwachsen.

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Lange war der Wolf in der DDR zum Abschuss freigegeben. Es brauche Zeit, bis sich die Einstellung zu Wölfen wandle, sagt die Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft Niedersachsen, Britta Habbe. Dort arbeitet sie eng mit Jägern zusammen, die ihr von gerissenem Wild oder Fährtenbildern berichten. Totgeschossene Wölfe habe es hier bisher nicht gegeben: "Toi, toi, toi", sagt Habbe.

"Die Entwicklung geht nun dahin, eine Stelle zu schaffen, die bundesweit für den Wolf zuständig ist", sagt IZW-Sprecher Steven Seet. "Auch um die Öffentlichkeit zu beraten." Nur mit harten Fakten zum Wolf mag man sich offenbar auch am IZW nicht begnügen: Von einem Bild im CT-Büro herab blickt ein heulender Wolf, bei Vollmond. (dpa)