Paris. .
„Wir arbeiten tagsüber und wachen nachts bei unseren Tieren. Das ist kein Leben mehr“, sagt Jean-Guy Vitali. Er gehört zu den südfranzösischen Schaf- und Ziegenhaltern, die sich um das Wohl ihrer Tiere sorgen. „Morgens fragen wir uns, warum wir aufstehen. Der Wolf wird in jedem Fall unsere Ziegen fressen.“
Der Bauer zeigt eines seiner Tiere, das durch einen Biss in den Hals starb. 5000 Tiere verloren die Züchter laut der Landwirtschaftsgewerkschaft FNSEA im vergangenen Jahr durch die Wölfe, von denen etwa 250 in den französischen Seealpen leben.
Eigentlich legt ein Plan fest, wie viele Wölfe geschossen werden dürfen, um Schaden für die Bauern zu verhindern. Doch von den 24 erlaubten Raubtieren pro Jahr wurden bisher erst zwei erlegt. Deshalb greifen einige Züchter, denen die Abschusszahlen ohnehin zu niedrig sind, selbst zur Waffe. „Wenn der Wolf bei meiner Herde ist, schieße ich, obwohl ich nicht das Recht dazu habe“, sagt Didier Trigance der Zeitung „Le Figaro“. „Ich habe das Gewehr auf der Schulter und verteidige meine Arbeit.“
Nachdem Bauern jahrelang auf die Raubtiere gefeuert hatten, waren die Wölfe in den 30er-Jahren in Frankreich ausgestorben. Anfang der 90er-Jahre ließen sich dann die ersten Tiere, die aus Italien kamen, wieder nieder. Seither wird in Frankreich eine erbitterte Debatte um Meister Isegrim geführt, der nach Ansicht der Bauerngewerkschaft auch Wirtschaft und Tourismus in den Seealpen gefährden könnte.
Da die Wolfspopulation ein Zeichen für die Artenvielfalt ist, versucht der Staat, die Tiere zu schützen. Den durch den grauen Jäger betroffenen Bauern greift die Regierung unter die Arme. „Der Wolf kostet 15 Millionen im Jahr“, bemerkten Schafzüchter, die im Mai in Paris für mehr Härte gegen die Raubtiere protestierten. 90 Euro bekommen die Züchter für ein gerissenes Lamm und 160 Euro für ein Muttertier. Doch das Geld reicht vielen nicht, um die Schutzmaßnahmen zu finanzieren. So müssen spezielle Hunde angeschafft und die Herden auf sichere Weideplätze gebracht werden.
Bauern sehen auch Menschen in Gefahr
Auch warnen die Bauern davor, dass Menschen von den legendären Jägern angegriffen werden könnten. „Es ist nicht hinnehmbar, dass der französische Staat wartet, bis ein Mensch zum Opfer wird, um zu reagieren“, schreiben die Ziegen- und Schafhalter an den Staatschef François Hollande.
Soweit dürfte es aber laut der Tierschutzorganisation WWF nicht kommen. Die Ansiedlung der Wölfe zeige, dass die Natur wieder „reicher“ werde. „Für uns Menschen besteht dabei keine Gefahr. Wölfe sind scheue Tiere, sie meiden Menschen und Gefahren auch dann, wenn sie keine Angst vor ihnen haben.“