Berlin. . 29 Prozent aller Tierarten in Deutschland sind akut bedroht beziehungsweise von deutlichen Bestandsrückgängen betroffen. Das ist das Ergebnis der bisher umfassendsten Bestandsaufnahme zur Lage der Natur und biologischen Vielfalt, die Umweltministerin Hendricks (SPD) am Mittwoch in Berlin vorstellte.

Die Bestände von jeder dritten Vogelart gehen zurück, extrem beim Kiebitz oder Feldlerchen. Ihnen fehlt der Lebensraum: Brutplätze und Nahrung. Das geht aus dem Bericht zur Lage der Natur hervor. Es gibt aber auch Gewinner, Tierarten, die sich langsam erholen, deren Bestände steigen: Wildkatzen, Seeadler, Biber, Fledermäuse. Der Bericht listet die Tiere nach einem Ampelsystem auf. Grün steht für „günstig“, Gelb für „unzureichend“, Rot für „schlecht“.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sprach gestern in Berlin von einer „Generalinventur“ der Natur, und das ist nicht übertrieben: Der Aufwand war gewaltig. 12.000 Proben zu Lebensräumen und Tierbeständen wurden entnommen, 92 Lebensräume und ferner 195 EU-weit bedeutsame Arten erfasst. „Sorgen machen uns die Flüsse, Moore und vor allem die Grünland-Lebensräume wie Weiden und Wiesen“, sagte Hendricks.

Neue Straßen, verstärkter Mais-Anbau, Entwässerung von Wiesen und Weiden, die Intensivierung der Landwirtschaft – die Naturflächen gehen zurück, darunter leiden Vögel, die auf Äckern und Wiesen brüten. Auch bei Schmetterlingen und (Wild-)Bienen sieht es schlecht aus.

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Von Miguel Sanches

Wie die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, erklärte, geht es der Natur nur in den Alpen und an den Felsküsten gut. Die landwirtschaftlich genutzten Räume seien dagegen „überwiegend in einem schlechten Zustand“.

Zu viele Grünlandflächen gingen verloren: Wo sind nur die Wiesen geblieben?

Mehr Hochwasserschutz

Hendricks kündigte Kurskorrekturen an: Bei Hochwasserschutz, in der Landwirtschaft und nicht zuletzt bei der Energiewende. Union und SPD wollen, dass neue Biogasanlagen nur mit Abfall und Reststoffen betrieben werden dürfen, nicht mehr mit Mais. „Das reicht jetzt“, sagte Hendricks. Man kann gegensteuern – nicht nur bei der Energie-Erzeugung.

Dass der Flächenverbrauch ein Übel ist, hat man längst erkannt. Mit dem sogenannten „Nationalen Naturerbe“ versucht die Bundesregierung seit dem Jahr 2000, einen Ausgleich zu schaffen und Flächen zu schützen.

Kunsthorste und Nisthilfen

Auch der Kampf um den Artenschutz ist nicht verloren, wie der Erfolg beim Seeadler zeigt, von dem es 628 bis 643 gibt. Man hat Kunsthorste und Nisthilfen angebracht – und das half. Erholt haben sich auch die Wölfe; so gut, dass schon wieder gewarnt wird.

Man geht bundesweit von inzwischen 26 Wolfsrudeln aus und schätzt ihr Potenzial auf bis zu 400 Rudel. Doch westlich der Elbe weiß Hendricks nur von einem einzigen einsamen männlichen Wolf zu berichten. Warnungen hält sie denn auch für unbegründet. „Wir müssen lernen“, hatte sie nach ihrem Amtsantritt gesagt, „mit dem Wolf zu leben.“