Berlin. Obst, Kaffee, Müsli im Internet bestellen und nach Hause liefern lassen - die Supermarktketten experimentieren mit dem Online-Einkauf. Wir machten einen Test und schauten, wie es in der Praxis läuft.

Es klingelt an der Türe, und die Post bringt das Abendessen. 18.30 Uhr, vor dem Haus parkt der gelbe Lkw, der DHL-Fahrer trägt zwei blaue Plastikkisten in den Wohnungsflur: Kartoffeln, Eier und Zwiebeln für die Bratkartoffeln, eine Mango und Weintrauben für den Nachtisch, plus eine Flasche Wein für den gemütlichen Abend. Das ist unser erster Test beim Lebensmittelkauf im Internet – eine Art des Einkaufs, die ganz langsam Anhänger in Deutschland findet.

Das Prinzip sieht so aus: Auf der Internetseite eines Lebensmittelhändlers wählt man die Waren aus, die man braucht. Die Kaufsumme wird beispielsweise per Kreditkarte vom Girokonto abgebucht. 24 Stunden später trifft die Lieferung zu Hause ein. Das übliche Parkplatzsuchen und Getränkekistenschleppen beim Einkauf im traditionellen Supermarkt kann man sich damit sparen.

Viele Produkte zur Auswahl

Die Testeinkäufe für die Familie fanden in diesem Fall bei Allyouneed.com statt, einer Tochter der Deutschen Post DHL. Die Anmeldung als neuer Kunde dort ist sehr einfach, es werden nur wenige Informationen verlangt. Ruckzuck öffnet sich das Lebensmittel-Universum: Es stehen deutlich mehr Produkte zur Auswahl als im Geschäft um die Ecke.

Kunden mit speziellen Interessen können gezielt auf der Internetseite suchen. So kann man sich beispielsweise nur biologische oder lactosefreie Milch anzeigen lassen. Zahlreiche weitere Auswahlkriterien stehen zur Verfügung, etwa „halal“ nach moslemischen Regeln, koscher nach jüdischer Sitte, gluten- oder gentechnikfrei.

Manchmal sehnt man sich nach Orientierung

Im Großen und Ganzen funktionieren die Test-Einkäufe gut. Manchmal klappt zwar die Produktsuche nicht auf Anhieb. Wer „Milch“ als Suchbegriff eingibt, bekommt 927 Treffer angezeigt. Die Seite schlägt dann auch Körperlotion und Schokolade vor. Da sehnt man sich nach der gewohnten Orientierung im normalen Supermarkt. Und die Weintrauben sind, als sie zu Hause eintreffen, etwas schlaff. Vielleicht lagen sie doch zu lange im Lager herum oder verbrachten zu viel Zeit auf der Autobahn? Allyouneed beliefert alle Kunden bundesweit aus nur einem Lager bei Kassel.

Als Vorteil schlägt zu Buche, dass der Online-Einkauf bequem und zeitsparend ist. Vor allem deshalb nehmen Konsumforscher und Unternehmen an, dass die Zahl der Nutzer des Online-Lebensmittelhandels künftig steigen wird. Zwei Zielgruppen haben die Unternehmen besonders im Blick: Familien mit Kindern, die alle Hände voll zu tun haben, um ihren Berufs- und Privatalltag zu bewältigen, sowie die sogenannten Smartphone-Senioren. Mit diesem Begriff beschreiben Experten die geburtenstarken Jahrgänge der heute 40- bis 55-Jährigen, die länger leben als frühere Generationen, im höheren Alter durch Gebrechen aber häufig ans Haus gefesselt sein werden, und sich gleichzeitig mit moderner Kommunikationstechnik auskennen. Für diese Bevölkerungsschicht könnte der Onlinekauf von Lebensmitteln zur Lebensqualität beitragen.

Derzeit noch eine Marktnische

Gegenwärtig findet diese Art des Einkaufs erst in einer kleinen Marktnische statt, sagt Martin Groß-Albenhausen vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH). Den Marktanteil am gesamten Lebensmittel-Einzelhandel beziffert er auf 0,7 Prozent. Bis 2020 könne diese Zahl auf fünf bis zehn Prozent steigen, meint Groß-Albenhausen. Wirtschaftsprofessor Joachim Zentes von der Universität des Saarlandes dagegen prognostiziert nur einen Anteil von etwa drei Prozent bis 2025.

Seine Firma beliefere heute rund 150 000 Stammkunden, sagt Allyouneed-Sprecher Max Thinius. Wobei die Post-Tochter nicht der einzige Anbieter ist. Kaiser’s Tengelmann beispielsweise betreibt seinen Service Bringmeister. Die norddeutsche Supermarktkette Bünting liefert bundesweit mit mytime.de. Auch Rewe und Edeka haben Personal aufgebaut, in Logistik und Computersysteme investiert. Die deutschen Anbieter beeilen sich gegenwärtig, weil sie annehmen, dass der US-Online-Gigant Amazon hierzulande bald auch in das Geschäft mit frischen Lebensmitteln einsteigt. Bisher beschränkt sich der Konzern auf verpackte, haltbare Lebensmittel wie Chips, Müsli und Wein.

Die Briten kaufen weit mehr Lebensmittel online ein

In anderen europäischen Staaten ist die Entwicklung schon etwas weiter als in Deutschland. In Großbritannien beträgt der Online-Umsatz mit Lebensmitteln etwa das Zehnfache der hiesigen Größe. Und in Frankreich liegt der Anteil bei vier Prozent. Im Online-Handel dominiert dort ein System, das Fachleute „Click&Collect“ nennen: Man bestellt die Waren auf den Internetseiten der jeweiligen Anbieter, holt den Einkauf dann aber persönlich mit dem Auto ab.

Die Unternehmensberatung Ernst & Young sagt voraus, dass auch deutsche Verbraucher künftig verschiedene Einkaufskanäle parallel nutzen werden. So könnte man die schweren und langweiligen Sachen, die man routinemäßig braucht, online bestellen und liefern lassen. Frisches Obst, Gemüse, Brot und den französischen Käse kauft man aber lieber weiterhin auf dem Markt oder in den neuen Markthallen der Großstädte.

Günstig oder teuer?

Auf den ersten Blick scheinen sich die Preise der Lebensmittel im Online-Handel auf normalem Niveau zu bewegen: 99 Cent für einen Liter Vollmilch, 1,29 Euro für 250 Gramm Butter, 100 Gramm Emmentaler Käse kosten beispielsweise 1,27 Euro. Ähnliche Angebote finden sich auch in stationären Geschäften.

Allerdings ist Vorsicht geboten, denn die Online-Händler verlangen zusätzliche Gebühren. Allyouneed erhebt beispielsweise einen Zuschlag für frisches Obst in Höhe von 4,90 Euro. Hinzu kommen die Lieferkosten – ebenfalls 4,90 Euro. Diese fallen weg, wenn der Einkauf mindestens 40 Euro beträgt. Kleinere Einkäufe von frischer Ware sind deshalb erstaunlich teuer.