Hamburg/Brieselang. Der weltgrößte Onlinehändler Amazon erwägt nach Angaben von Deutschlandchef Ralf Kleber einen Einstieg in den deutschen Lebensmittelmarkt. Erfahrungen sammelt der Konzern bereits in einigen Ballungsräumen in den USA - und sorgte damit weltweit für Furore bei den traditionellen Handelsketten.

Amazon erwägt in Deutschland den Einstieg ins Geschäft mit frischen Lebensmitteln. "Der Auftrag ist, dass wir uns auch darum kümmern müssen. Der Auftrag ist aber nicht unbedingt, dass wir uns morgen darum kümmern müssen", sagt Amazon-Deutschlandchef Ralf Kleber im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Während der weltgrößte Onlinehändler bereits Hunderttausende nicht-verderbliche Lebensmittel im Sortiment hat, fehlen Salat, Backwaren und Fleisch noch im Angebot. Kleber gibt zu Bedenken, dass der Verkauf von Lebensmitteln wegen der einzuhaltenden Kühlkette "kompliziert" ist und neue Logistikstrukturen verlangen würde.

Erfahrungen sammelt der US-Konzern in diesem Bereich bereits in einigen Ballungsräumen in den USA wie am Stammsitz in Seattle sowie Los Angeles und sorgte damit weltweit für Furore und hektischer Betriebsamkeit bei traditionellen Handelsketten. "Wenn wir wollen, dass ein Kunde täglich einen Grund hat, mit uns in Interaktion zu treten, müssen wir Nahrungsmittel im Angebot haben und nicht nur Bücher und Schuhe", sagt der 47-Jährige, der vor seiner Zeit bei Amazon für Kaufhof und Escada tätig war. Allerdings müsse dem Kunden ein Mehrwert geboten werden. Nur ein weiterer Anbieter zu sein, reiche nicht.

Deutschland ist der zweitwichtigste Markt

"Wir glauben, dass wir das können", gibt sich Kleber zuversichtlich. Für ihn wäre der Einstieg ins Geschäft mit frischen Lebensmitteln auch ein Zeitpunkt, um den Aufbau eines eigenen Versandnetzes zu prüfen. Dann "wäre dies unter Umständen nötig", sagt der Manager, der seit 1999 für Amazon tätig ist. Derzeit arbeitet Amazon unter anderem mit DHL und UPS zusammen.

Deutschland ist für den US-Konzern der zweitwichtigste Markt. Im vergangenen Jahr setzte der eBay -Konkurrent 6,8 Milliarden Euro hierzulande um - einen großen Teil davon im gerade anlaufenden Weihnachtsgeschäft. Detaillierte Angaben zu einzelnen Märkten macht Amazon traditionell nicht.

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Kleber strebt in Deutschland weiteres Wachstum an. Auch die Zahl der Logistikzentren, die jüngst mit der Eröffnung des Lagers in Brieselang in Deutschland auf neun gestiegen ist, werde zunehmen - trotz der neuen Bauvorhaben in Polen und Tschechien. Allein in Brieselang, einem der kleinsten in Deutschland, werden zu Spitzenzeiten täglich 100.000 bis 110.000 Pakete versendet. Einen Großteil davon verschickt Amazon für andere Händler über seine Marketplace-Plattform.

Kleber sieht kein nahes Ende der Ausgabenserie

"Die Nachfrage nach Amazon als Logistikdienstleister wird weiterhin enorm zulegen", ist sich Kleber sicher. Brieselang-Standortleiter Karsten Müller stellt sich vor allem in der Adventszeit auf Hochbetrieb ein: "Bekannterweise kaufen die Deutschen ihre Geschenke nämlich etwas später als Amerikaner oder Briten."

Der Konzern, der einst als Buchhändler an den Start ging, wirbt heutzutage vor allem mit seiner Produktvielfalt. Dazu gehören längst eigene Elektronikartikel wie die Kindle-Familie aus elektronischen Lesegeräten und Tablets, mit denen Amazon Apple und Samsung Konkurrenz macht. Seit Jahren ist Amazon für seinen kostenintensiven Expansionskurs bekannt, der dem Unternehmen regelmäßig Quartalsverluste einbrockt. "Wir sind in drei Geschäftsfeldern tätig, die weiterhin massiv Geld benötigen, um voranzukommen", sagt Kleber und sieht damit kein nahes Ende der Ausgabenserie. (reuters)