Kapstadt. Noch nie zuvor hat es eine so große Ebola-Epidemie gegeben, wie in diesen Tagen. Das sorgt auch bei Verschwörungstheoretikern für Hochkonjunktur. Ihre absurden Thesen verbreiten sich übers Netz fast schneller als der Virus. Selbst Hip-Hop-Star Chris Brown beteiligt sich an den wilden Spekulationen.
Für die Ebola-Epidemie in Westafrika gab es nach Überzeugung von Wissenschaftlern nur einen einzigen Ursprungsort: Im Dschungeldorf Meliandou in Guinea sei das Virus von Flughunden auf ein Kind übertragen worden. Die grassierenden Verschwörungstheorien rings um den bislang schlimmsten Ebola-Ausbruch der Geschichte kommen hingegen aus vielen Orten der Welt. In Tweets, Online-Foren und ominösen Zeitungsartikeln verbreiten sie sich über das Internet noch viel schneller als das Virus unter den Menschen in Westafrika.
Chris Brown befürchtet "Bevölkerungskontrolle"
"Ich weiß nicht... Aber ich denke, diese Ebola-Epidemie ist eine Form der Bevölkerungskontrolle", twitterte der amerikanische Hip-Hop-Star Chris Brown an seine weltweite Gefolgschaft. Das war Wasser auf die Mühlen jener, die - ähnlich wie schon beim Aids-Erreger HIV - nicht an eine natürliche Entstehung des Virus glauben wollen, sondern finstere Mächte am Wirken sehen.
Eine der abenteuerlichsten Spekulationen wurde im September in Liberias Hauptstadt Monrovia verbreitet - in jenem Land, das am schlimmsten von der Epidemie betroffen ist. Ebola sei eine Art Biowaffe, erklärte Cyril Broderick, Gastdozent der amerikanischen Delaware State University und Ex-Professor für Pflanzenkrankheiten an der University of Liberia.
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Geheimes US-Labor zur Virusforschung
Entwickelt im Auftrag des US-Militärs, sei das Virus nach Afrika gebracht worden, um seine Wirkung zu testen, behauptete Broderick in der liberianischen Zeitung "The Daily Observer". In der Ortschaft Kenema in Liberias Nachbarland Sierra Leone würden die USA eigens ein geheimes Labor zur Virusforschung betreiben. Inspiriert hätten ihn, räumte Broderick freimütig ein, der spannende Ebola-Doku-Thriller "Hot Zone" von Richard Preston sowie Horror-Autor Stephen King.
"Dies ist genau die Art von Veröffentlichung, die unserem Kampf gegen Ebola mehr schadet als nützt", erboste sich Lamii Kpargoi vom Liberia Media Center, das sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt. Die Delaware State University winkte ab: Der Professor habe nur von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht.
Last für humanitäre Helfer
Das machen auch viele andere, die das Netz mit düsteren Geschichten füttern. Pharmakonzerne hätten Ebola verbreitet, um kräftig an Gegenmitteln verdienen zu können, ist eines der am häufigsten zu lesenden Gerüchte.
In westlichen Gesellschaften hält sich der Schaden solcher Verschwörungstheorien in engen Grenzen. In den stark von Aberglauben sowie - angesichts des Leids der Ebola-Opfer - von Angst und Misstrauen geprägten Gesellschaften Westafrikas bürden sie humanitären Helfern zusätzliche Lasten auf.
"Sie wirken in ihren Schutzanzügen auf viele bedrohlich", sagt ein Mitarbeiter einer medizinischen Hilfsorganisation, der nicht namentlich genannt werden wollte. "Wenn sie dann gar als Agenten böser Mächte erscheinen, kann es gefährlich für sie werden."
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Gerüchte dringen in den Mainstream vor
Als Medium für Horrorgeschichten ist auch der "Buschfunk" geeignet. Eine, die in Liberia ebenso wie in Sierra Leone und Guinea auf diese Weise die Runde machte, geht so: Unsere Regierung hat die Ebola-Stationen eingerichtet, um Geld zu scheffeln. Dort werden Patienten getötet, damit man ihre Organe ins Ausland verkaufen kann.
Bis vor kurzem waberten Ebola-Verschwörungstheorien im Internet eher durch dessen Randbereiche. Doch beflügelt durch die Furcht nach den Ebola-Ansteckungsfällen in Texas würden Gerüchte auch in den Mainstream vordringen, berichtete die "New York Times".
Die Zeitung verwies auch auf die konservativen Moderatoren Rush Limbaugh und Laura Ingraham: Sie verbreiteten in ihren Sendungen die Theorie, US-Präsident Barack Obama würde im Einsatz gegen Ebola das Leben von Amerikanern riskieren, weil er Afrikanern gegenüber Schuldgefühle wegen der Sklaverei habe.
Warum hat sich noch keiner um Impfstoff gekümmert?
Jenseits solcher Skandalgeschichten gibt es freilich Wahrheiten, die kaum weniger empörend sind: Warum, zum Beispiel, hat sich weder die Pharma-Industrie, noch irgendeine westliche Regierung bis vor kurzem ernsthaft um einen Impfstoff gegen Ebola bemüht? Eine wohl leider zutreffende Antwort gab die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, Margaret Chan: "Weil Ebola bis dahin geografisch begrenzt war auf arme afrikanische Nationen." Thomas Burmeister (dpa)