Gelsenkirchen. Die Zahl der Übergriffe in den Amststuben häuft sich. Seit der tödlichen Attacke im Neusser Jobcenter gelten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Doch fast jeder Mitarbeiter berichtet von regelmäßigen Konflikten. Bringt die Schulung kommunaler Bediensteter Abhilfe?
An ihren Arbeitsplätzen und in Servicestellen in Nordrhein-Westfalen haben kommunale Beschäftigte zunehmend mulmige Gefühle. Fälle von Gewalt gegen öffentlich Bedienstete häufen sich, sagt die Gewerkschaft Komba. Seit 2010 gab es sechs schwere Zwischenfälle, so in Jobcentern in Essen, Wattenscheid und Gladbeck. In Neuss wurde eine Jobcenter-Mitarbeiterin erstochen.
Ministerialdirigent Johannes Winkel vom NRW-Innenministerium bestätigte auf einer Komba-Veranstaltung in Gelsenkirchen: „Physische und psychische Gewalt gehört mittlerweile zu den Alltags-Erfahrungen in der öffentlichen Verwaltung.“ Auch Rettungskräfte und Ticketkontrolleure sind dem immer öfter ausgesetzt. Komba-Landesvize Susanne Köllner: „Vor allem niederschwelligere Formen der Gewalt in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes gehören dort zum Alltag.“ Man wird beschimpft und bedroht.
Spitze Gegenstände nicht mehr auf dem Schreibtisch
Seit der tödlichen Attacke im Neusser Jobcenter gilt in fast allen Verwaltungsetagen, dass Brieföffner und spitze Gegenstände nicht mehr offen auf den Schreibtischen liegen. Bilder der Familie werden vielfach weggestellt. Die Chefetagen wollen vermeiden, dass sich Drohungen gegen Verwandte richten könnten.
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Im Auftrag der Komba hat Prof. Bernhard Frevel von der Hochschule für öffentliche Verwaltung Gelsenkirchen Empfehlungen formuliert. Nach von ihm zitierten bundesweiten Umfragen berichten fast alle Mitarbeiter deutscher Behörden von verbalen Konflikten während der Arbeitszeit.
Jeder Zweite wurde schon bedroht
66 Prozent wurden beleidigt, 51 Prozent bedroht. 14 Prozent sagen, es sei zu Sachbeschädigungen gekommen und 13 Prozent haben körperliche Gewalt erlitten. In zwei Prozent der Fälle kam sogar eine Waffe zum Einsatz.
Die Angreifer, glaubt Frevel, sind oft konfliktbereit, haben Alkoholprobleme oder Persönlichkeitsstörungen. Eine Rolle spielen kulturelle Hintergründe wie etwa andere Wertvorstellungen.
Auch Zugangskontrollen
Es handele sich nicht um Einzelfälle, sagt Hubert Meyers von der Komba – auch, wenn sich die überwiegende Zahl der ratsuchenden Menschen in den Dienststellen „tadellos“ benähme. Es reiche nicht, Scheren und Locher als potenzielle Wurfgeschosse vom Schreibtisch zu nehmen.
Bedienstete müssten besser für Konfliktsituationen geschult werden. Wissenschaftler Frevel empfiehlt Eingangskontrollen, Zugangscodes oder Videoüberwachungssysteme. Sie könnten in nichtöffentlichen Teilen der Dienstgebäude Gefahren minimieren.