Essen. Seit fünf Jahren zeigt Sat.1 die Abnehm-Show “The Biggest Loser“, in der übergewichtige Menschen im Rahmen von Spielen und Herausforderungen abnehmen sollen. Nun kommt mit “The Biggest Loser Teens“ ein ähnliches Format für Minderjährige. Der Kinderschutzbund warnt: “Dort werden Menschen vorgeführt.“

Als Kandidatin Annaliesa auf die Waage steigt, erklingt traurige Musik, Casting-Show-Veteran Detlef D. Soost spricht vom "Moment der Wahrheit". Das Messgerät zeigt 119,3 Kilogramm an. Soost blickt schockiert drein, im fehlen die Worte. In diesem Stil funktioniert die neue Sat.1-Show "The Biggest Loser Teens" (ab Sonntag, 14.9, um 17 Uhr bei Sat.1) bei der Minderjährige vor der Fernsehnation hungern und die Zuschauer vor den Bildschirmen verfolgen, wie junge Menschen auf ihrem Weg zum Idealgewicht leiden.

Das Konzept der Sendung ist simpel und ähnelt dem der Muttersendung "The Biggest Loser". Sat.1 hat zwölf Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren nach Andalusien geflogen um sie dort beim Abnehmen zu filmen. Die Kandidaten sind in drei Teams aufgeteilt. Das Team, das am wenigsten Kilos verloren hat, muss ein Teammitglied nach Hause schicken.

Wohl kein zimperlicher Umgang mit den Kandidaten

"In solch einer Sendung werden Menschen vorgeführt", sagt Heinz Hilgers, Präsident vom Deutschen Kinderschutzbund. Er würde zwar keinen der Teilnehmer bevormunden wollen, aber "wenn man mich um Rat fragen würde, so würde ich dringend davon abraten, an so einer Show teilzunehmen." Die Sendung würde jedem Schüler, der einen anderen wegen dessen Übergewicht hänselt, Recht geben.

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Vieles spricht dafür, dass der Sender nicht gerade zimperlich mit den 16 bis 20-Jährigen Teilnehmern umgehen wird. In einer Pressemeldung im Frühjahr hat Sat.1 die Abnehmshow als "Spe(c)ktakulär" angekündigt. Und Werbefotos zeigen, wie die übergewichtigen Teilnehmer in Bikini und Badehose im Wasser stehen. Um sie herum schwimmen, Achtung Wortspiel, etwa ein Dutzend Rettungsringe.

Traurige Familiengeschichten und Küchenpsychologie

"Mit 30 werden sich vielleicht viele Kandidaten darüber ärgern, dass sie an so einem Format teilgenommen haben", sagt Hilgers. Er würde den jungen Menschen raten, ihre Würde "nicht selbst zu verletzen." Und schon die Video-Vorstellungen der Kandidaten, die Sat.1 vorab im Netz veröffentlicht hat, lassen erahnen, dass den Zuschauer auch in "The Biggest Loser Teens" wieder der übliche Casting-Show-Mix aus traurigen Familiengeschichte und Küchenpsychologie erwartet - mit dem Unterschied, dass diesmal bewußt minderjährige Kandidaten im Zentrum der Sendung stehen werden.

So verkündet Detlef D. Soost, der die übergewichtigen Teenager trainieren soll, ziemlich dreist: "Der Einzige, der für das Übergewicht unserer Kandidaten verantwortlich ist, begrüßt sie jeden Morgen im Spiegel." Und Moderatorin Christine Theiss kündigt reißerisch an: "Da sind zwölf junge Menschen mit Sprengstoffpotenzial auf engem Raum und haben Hunger." In den Sozialen Netzwerken stößt die Sendung bei einigen deshalb schon vorab auf Kritik.

Life-Coach soll den Jugendlichen helfen

"Die Kinder werden im TV bloßgestellt. Ich liebe diese Sendung und sie motiviert mich jedes Jahr aufs Neue. Aber solche Aufnahmen können einer geschundenen Kinderseele echt zusetzen. Ich finde es bedenklich", schreibt eine Userin bei Facebook. Eine andere Zuschauerin glaubt nicht, dass es in der Sendung wirklich darum geht, Menschen zu helfen: "Hast du in der Sendung etwas von gesunder Ernährung mitbekommen?"

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Große Veränderungen im Sendekonzept wird es im Vergleich zur Erwachsenen-Version von "The Biggest Loser" trotzdem nicht geben. Als hingegen an der US-Version von "The Biggest Loser" 2012 erstmals Teenager teilnahmen, war zumindest auf das Wiegen der Kandidaten verzichtet worden. Bei Sat.1 allerdings bleibt die Waage ein zentrales Element der Show. Immerhin hat der Sender laut einem Sprecher "Life-Coach Susanne Veit mit dabei, die vor und hinter der Kamera für psychologische Beratung jederzeit bereit steht."

"Das Netz vergisst nie"

Es ginge dem Sender nicht darum, einzelne Kandidaten vorzuführen: "'The Biggest Loser‘ hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass es mit dem Training vor Ort und der Ernährungsumstellung möglich ist, nachhaltig abzunehmen. Von ehemaligen Kandidaten haben wir immer nur positives Feedback bekommen." Kinderschützer Heinz Hilgers überzeugt das nicht.

"Einen solchen Auftritt werden die Jugendlichen nie wieder los", sagt er. Hilgers befürchtet, dass die Jugendlichen sich später auch in ihrem Alltag für die Teilnahme rechtfertigen müssen. "Außerdem sind die Clips der Sendung im Netz. Dort kann sie sich jeder ansehen. Und das Netz vergisst nie."