Lagos. Immer mehr Ebola-Fälle werden im Westen Afrikas bekannt – inzwischen auch in Millionen-Metropolen wie Lagos, Nigeria. Die Angst wächst: Gegen die Seuche gibt es kein Gegenmittel. Nicht nur Bürgerkriege begünstigen ihre Ausbreitung.
Die Ebola-Epidemie in Westafrika, der schlimmste bisher bekannt gewordene Ausbruch des Killervirus, nimmt immer bedrohlichere Züge an. Während am Wochenende ein erster Ebola-Toter in Lagos, Nigeria, gemeldet wurde, kam es vor einer Klinik in Kenema im Osten Sierra Leones zu gewalttätigen Ausschreitungen der Bevölkerung. Eine wütende Menge drohte das Krankenhaus nieder zu brennen, in dem Ebola-Patienten behandelt werden.
Eine Ex-Krankenschwester hatte das Gerücht verbreitet, das Pflegepersonal führe in dem Hospital „kannibalische Rituale“ durch. Die Polizei musste Tränengas einsetzen, um die Menge zu zerstreuen.
Schon mehr als 700 Tote
Der Kampf gegen die meist tödlich verlaufende Viruskrankheit, die in den vergangenen vier Monaten bereits 1100 Menschen erfasste und fast 700 tötete, stößt in Westafrika auf besondere Schwierigkeiten. In Liberia und Sierre Leone tobten noch bis vor nicht allzu langer Zeit grausame Bürgerkriege, die die Bevölkerung traumatisierten: Unter den Rebellen- und Regierungstruppen war auch Kannibalismus keine Seltenheit.
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Außerdem jagen die fremd anmutenden Schutzanzüge des ausländischen Pflegepersonals der Bevölkerung Angst ein, während die Notwendigkeit, infizierte Patienten zu isolieren, auf Skepsis stößt. Immer wieder kommt es vor, dass Dorfbewohner ausländische Helfer unter Androhung von Gewalt verscheuchen, und dass erkrankte Familienmitglieder aus Furcht vor sozialer Ächtung versteckt werden.
Verbreitet ist auch die Auffassung, dass die ausländischen Helfer die Krankheit absichtlich verbreiteten, um die afrikanische Bevölkerung zu dezimieren. Solle die beispiellose Epidemie gestoppt werden, müsse unbedingt das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen werden, sagt Manuel Fontaine, Unicef-Direktor für West- und Zentralafrika: „Wir müssen an jede Tür klopfen, jeden Markt besuchen und in jeder Kirche und Moschee sprechen. Doch dafür brauchen wir wesentlich mehr Mitarbeiter und Geld.“
Familie entführte kranke Frau – sie stellte sich später und starb
Ende vergangener Woche entführten Familienmitglieder eine infizierte Frau aus einem Krankenhaus in Freetown, Sierra Leone. Nachdem Radiostationen im ganzen Land darauf hingewiesen hatten, dass die Entführte ein erhebliches Risiko für die Bevölkerung bedeute, stellte sich die 32-Jährige den Behörden, um kurz später in einer Ambulanz zu sterben. Der Tod durch Ebola ist äußerst grausam: Die Patienten, deren Adern von dem Virus durchlöchert werden, sterben an inneren Blutungen. Das Blut tritt außerdem aus sämtlichen Körperöffnungen aus, auch hohes Fieber, Durchfall und Erbrechen gehören zu den Symptomen der Infektion.
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Derweil wurde aus der 15-Millionen-Metropole Lagos der erste Ebola-Tote gemeldet. Der Liberianer war Anfang voriger Woche mit dem Flugzeug in Lagos gelandet und starb wenig später in einem Hospital. Sämtliche Flughäfen und Grenzkontrollen des westafrikanischen Staaten wurden angewiesen, nach erkrankten Personen Ausschau zu halten. Mit 190 Millionen Einwohnern ist Nigeria der bevölkerungsreichste Staat Afrikas.
Infiziert haben sich mittlerweile auch mehrere Ärzte, wie der 39-jährige Mediziner Scheik Umar Khan, der zu den führenden Personen des Kampfes gegen das Virus in Sierra Leone gehört und offenbar bereits über 100 Ebola-Kranke behandelte. Khan, den das Gesundheitsministerium seines Landes als „Held“ bezeichnete, wird derzeit in einer von der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ eingerichteten Isolierstation gepflegt. Auch der für die Hilfsorganisation Samaritan’s Purse in Liberia tätige US-Arzt Kent Brantly hat sich womöglich infiziert: Er wird in Monrovia, Liberia, behandelt.
Die Seuche trifft inzwischen auch Mediziner
Brantlys liberianischer Kollege Samuel Brisbane soll dem Virus am Samstag nach einem drei Wochen langen Kampf erlegen sein: Es ist der erste liberianische Arzt, der an Ebola gestorben ist.
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Auch die wirtschaftlichen Folgen der Seuche für den Westen Afrikas kommen jetzt immer deutlicher zum Vorschein. Die meisten der in Guinea, Sierra-Leone und Liberia tätigen ausländischen Konzerne haben ihr Personal abgezogen, außerdem wurden in Teilen Westafrikas, vor allem aber in Liberia, Märkte und Schulen geschlossen. Die Elfenbeinküste machte inzwischen seine Grenze zu Liberia dicht.
Obendrein ist in der Region der Handel mit „bush meat“, dem beliebten Fleisch wilder Tiere, so gut wie zusammen gebrochen. Dafür gibt es einen Grund: Tiere wie Flughunde oder Affen werden als Träger des Virus verdächtigt, gegen den es bisher weder einen Impfstoff noch ein Gegenmittel gibt.