Johannesburg/Essen. . Westafrika wird von der bisher schlimmsten Ebola-Epidemie heimgesucht. Bei ihrem Kampf gegen das tödliche Virus schlägt Helfern Misstrauen entgegen. Das Virus, das seit Monaten immer heftiger in Guinea, Sierra Leone und Liberia wütet könnte sich weiter ausbreiten, befürchtet die WHO.

Wie Marsmenschen tauchen die Ärzte in den Dörfern auf. Von Kopf bis Fuß in weiß-gelbe Overalls gehüllt, mit Handschuhen und Schutzbrillen, so wappnen sie sich gegen einen der gefährlichsten Erreger der Welt. Dann untersuchen sie die Kranken und nehmen die Toten mit, um zu testen, ob sie das Ebola-Virus in sich tragen.

Zuweilen bringen sie Verstorbene zurück, eingepackt in fest verschlossene Leichensäcke. Legenden machen die Runde. Die fremden Ärzte hätten selbst das Virus eingeschleppt. Manche versteckten die Erkrankten, damit sie nicht abgeholt werden können – aus Angst, dass sie nicht lebend zurückkommen. In manche Siedlungen würden sie nicht einmal hinein gelassen, berichten Helfer.

Aberglauben hilft bei der Ausbreitung des Virus, das seit Monaten immer heftiger in Guinea, Sierra Leone und Liberia wütet – und es könnte sich weiter ausbreiten, befürchtet die Weltgesundheitsorganisation WHO. Bis heute wurden knapp 800 Fälle gezählt, 467 Menschen starben – Stand heute. Die Epidemie sei „völlig außer Kontrolle geraten“, warnte die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ schon vor Tagen. Erstmals verbreitet sich das Virus im unvorbereiteten Westafrika. Der bislang schlimmste Ausbruch geschah 1976, als im früheren Zaire 280 Menschen starben.

Ebola verursacht eine tückische Krankheit. Ein langes, fadenförmiges Virus löst Fieber, Muskelschmerzen und Durchfall aus, es befällt die inneren Organe und lässt die Opfer am Ende innerlich verbluten. 60 bis 90 Prozent der Infizierten sterben. Einen Impfstoff oder Medikamente, die das Virus direkt angreifen, gibt es nicht.

Angesichts der „schlimmsten Ebola-Epidemie, die die Welt jemals erlebt hat“, haben sich am Mittwoch die Gesundheitsminister von elf afrikanischen Staaten in der ghanaischen Hauptstadt Accra zu einem Krisengipfel getroffen. Auf Einladung der WHO wollen die Minister Wege suchen, der Ausbreitung der Seuche zu begegnen. Besonders besorgt sind die Seuchenexperten über die Tatsache, dass die Zahl der Infizierten allein in den vergangenen zehn Tagen um zehn Prozent in die Höhe schnellte, ebenso die Zahl der Toten. Inzwischen hat die Seuche die dicht besiedelten Küstenregionen der drei Staaten erreicht, einzelne Dörfer im Osten Sierra Leones seien von dem Virus regelrecht ausradiert worden, sagte der Virologe Jason Beaubien von der US-Universität Tulane. Allein in einem Dorf hätten Helfer 25 Leichen gezählt, eine siebenköpfige Familie sei vollkommen ausgelöscht worden.

Tödliche Traditionen

Bereits kurz nach dem Ausbruch der Epidemie war es zu einem Streit zwischen „Ärzte ohne Grenzen“ und der WHO gekommen: Während die Hilfsorganisation eine rasche Ausbreitung befürchtete, warnte die UN-Organisation vor Panikmache und versuchte, den Vorfall herunterzuspielen. Nun aber ist auch die WHO von der Dringlichkeit einer koordinierten Reaktion überzeugt: Afrika-Direktor Luis Sambo zeigte sich „tief besorgt“ und forderte von den Gesundheitsministern „drastische Maßnahmen“.

Das vermutlich über Flughunde – ein Leckerbissen unter Westafrikanern – übertragene Virus ist extrem ansteckend. Der Erreger breitet sich nicht über die Luft, sondern durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten (Schmierinfektionen) aus. Berührungen müssen daher unbedingt vermieden werden. Das widerspricht aber den Bräuchen bei Beerdigungen. Die Angehörigen waschen, streicheln und küssen ih­re Toten zum Abschied. So findet das tödliche Virus neue Opfer.