New York. . In München steht ein Hofbräuhaus. Das Lied kennen viele Amerikaner. In New Yorks rauem Südosten stand einst eine von Deutschen geprägte Bierschwemme. Das wussten bisher nur Historiker. Archäologen stießen nun bei der Begehung zu einem Hotelneubau auf alte Bierkrüge, Flaschen und Teller. Die Zeugen einer Art „Ballermann“ für die ganze Familie.
Für Rudolf „Rudy“ Tauscher kommt die kostenlose Werbung wie gerufen. Keine Viertelstunde Fußmarsch entfernt von seinem im vergangenen November an der Lower East Side eröffneten „Paulaner Bräuhaus“, wo nach deutschem Reinheitsgebot und Rezepten von 1634 Gebrautes auf der Karte steht, haben Archäologen dem Boden Manhattans eine kleine Sensation entrissen.
Vor 156 Jahren legten im „Atlantic Garden“ deutsche Einwanderer das Fundament für die New Yorker Kneipenkultur. „Man konnte hier ein Bier trinken und Bowling spielen“, schreibt Autor David Freeland. Der Garden war eine Art „erster Vergnügungspark in New York“.
Für die Archäologin Alyssa Loorya von der Firma Chrysalis ist das zu „Chinatown“ gehörende Areal an der Bowery, wo demnächst ein neues Hotel entstehen wird, eine Fundgrube. Bei der Erkundung hat sie Hunderte Flaschen, Gläser, Teller und Bierkrüge gefunden, die auf deutsche Spuren verweisen. Der Schriftzug „Bürgerspital Würzburg“ etwa steht für ein bis heute in der fränkischen Stadt existierendes Weingut. Looryas Arbeit lenkt den Blick auf ein verschüttetes Kapitel New Yorks.
Die Theken waren für Vielfraße ausgestattet – typisch deutsch
Ende des 19. Jahrhunderts lebten so viele deutsche Einwanderer am Hudson River, dass der „Big Apple“ nach Berlin und Wien jene Stadt auf der Welt war, in der am meisten Deutsch gesprochen wurde. Man glaubt es kaum: Die deutschsprachige „New Yorker Staatszeitung“ war um 1895 die drittgrößte Tageszeitung am Ort.
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Abseits ihrer Bastion im Stadtteil Yorkville an der Upper East Side, wo heute noch das Restaurant „Heidelberg“ und die Metzgerei „Schaller & Weber“ ansässig sind (1 a Leberwurst!), tummelten sich deutsche Einwanderer an der Südspitze Manhattans. 1858 erwarb Wilhelm Kramer an der Bowery das Gelände um die „Bull‘s Head Tavern“, wo im Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer George Washington 1783 sein Lager aufgeschlagen haben soll, und eröffnete den „Atlantic Garden“. Eine Art „Ballermann“ für die ganze Familie. Was Tugendwächtern nicht sonderlich gefiel.
Bei den Schänken in der Bowery handele es sich um „wunderliche schmutzig-braune, klapprige Wirtschaften, in denen Familien der teutonischen Rasse – Männer, Frauen und Kinder – einen Großteil der Zeit verbringen“, zitiert der New York-Kenner Michal Bodemann einen Chronisten, „die Theken waren für Vielfraße ausgestattet, mit Haxen und Fleisch, das für den starken deutschen Magen geeignet ist.“
Aus den Archiven der „New York Times“ erfährt man, dass der „Garden“ zwischen 1870 und 1880 oft Ziel von Polizeirazzien war, um dem sonntags angeordneten Alkoholverkaufsverbot Geltung zu verschaffen. Mindestens einmal kam Wilhelm Kramer glimpflich davon. Ein Richter hatte sich Kostproben kommen lassen und danach entschieden: Das Bier sei so verwässert, dass „ein Mann leicht eine Gallone trinken kann, ohne davon betrunken zu werden.“