Washington/Missoula. Celal D., der Vater des in den USA erschossenen deutschen Austauschschülers Diren D., ist in den USA eingetroffen. Dort wird gerade das Urteil in einem ähnlichen Fall diskutiert. Demnach dürfen Hausbesitzer nicht ohne direkte Gefahr auf Eindringlinge schießen.
Als Celal D. (46), der Vater des deutsch-türkischen Austauschschülers aus Hamburg, der im US-Bundesstaat Montana Opfer der Selbstjustiz eines vergeltungssüchtigen Hausbesitzers wurde, am Dienstagabend in Missoula eintraf, sorgte gerade die Nachricht über einen ähnlichen Fall in den USA für Aufsehen.
Ein Gericht in Little Falls/Minnesota hatte den 65-jährigen Byron Smith am gleichen Tag wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt. Der ehemalige Mitarbeiter des Außenministeriums hatte am Thanksgiving-Tag 2012 zwei Teenager (17 und 18) mit neun Kugeln erschossen. Sie waren in sein Haus eingebrochen. Smith hatte die Eindringlinge im Keller erwartet, vorher eine Überwachungskamera installiert, und ohne Vorwarnung den Abzug gedrückt. Eines der schwerverletzten Opfer erledigte er mit einem finalen Schuss.
Eine Frage der Verhältnismäßigkeit
Gegenüber der Polizei machte Smith sein Recht geltend, sich und sein Haus verteidigen zu dürfen. Die Jury unter Richter Douglas Anderson entschied anders: Byron Smith habe unverhältnismäßig gehandelt. Eine direkte Bedrohung gegen ihn habe nicht vorgelegen.
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Andrew Paul, Bezirksstaatsanwalt in Missoula, sieht das im Falle von Diren D. ähnlich. „Es gab keinen plausiblen Grund für Markus Hendrik Kaarma zu schießen“, sagte der Ankläger, „es gab andere Wege.“ Der 29-Jährige Hausbesitzer hatte den unbewaffneten D., der offenbar auf der Suche nach einem Getränk war, via Überwachungskamera Sonntagnacht in seiner Garage entdeckt und ohne Vorwarnung mit vier Schüssen aus der Schrotflinte getötet.
Polizei sucht noch nach Augenzeugen
Unabhängige Augenzeugen, die das Tatgeschehen rekonstruieren könnten, gibt es nach Angaben von Polizeisprecher Travis Welsh bisher nicht. „Wir suchen noch.“ Nur Kaarmas Frau Janelle war dabei. Ihre Aussage könnte den Schützen in schwere Bedrängnis bringen, sagen Ermittler. Markus Kaarma behauptet, zwischen ihm und dem späteren Opfer sei kein einziges Wort gefallen. Dagegen will Janelle Pflager aus der Garage, also von Diren D., ein „Hey“ und ein „Warte!“ gehört haben, bevor die ersten Schüsse fielen.
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Nach Angaben des Rechtsanwaltes Paul Ryan bekommt das Paar, das ein kleines Kind hat, seit Dienstag Todesdrohungen und „wagt sich nicht mehr aus dem Haus“. Sein Mandant sei erschüttert über den Tod des Deutschen, so Ryan, fühle sich aber im Recht. „Er hatte Angst."
Schütze wollte ein Exempel statuieren
Für Staatsanwalt Andrew Paul gibt es dagegen, wie aus Justizkreisen zu hören ist, "kaum Zweifel, dass der Feuerwehrmann nach vorherigen Einbrüchen in seinem Haus ein Exempel statuieren wollte - mit der in Montana geltenden Castle Doctrine im Rücken". Das besagte Gesetz (Schloss-Doktrin) stellt Hausbesitzer straffrei, die in lebensbedrohlicher Lage zur Waffe greifen und aus Notwehr töten. Die Beweispflicht, dass es anders gewesen sein könnte, liegt im Falle eines Prozesses beim Staat.
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Am 12. Mai hat Ankläger Paul dazu bei einer richterlichen Anhörung erstmals Gelegenheit. Mit Prozessbeginn wird nicht vor Ende dieses Jahres gerechnet. Der Staatsanwalt, der am Mittwoch mit Direns Vater zusammentreffen wird, auch um die Überführung des Jungen ins türkische Bodrum einzuleiten, wo das Begräbnis geplant ist, hält den Tatbestand der vorsätzlichen Tötung für gegeben. Davon will er die Jury überzeugen.
"Gesetz ermutigt, erst zu schießen und dann zu fragen"
Unterdessen hat eine Abgeordnete im Parlament von Montana dafür geworben, die „Castle Doctrin“ zu überarbeiten. „Das Gesetz ermutigt Hausbesitzer dazu, erst zu schießen und dann zu fragen“, sagte die Demokratin Ellie Hill dem Journal „Missoula Independent“. Hill rechnet mit „erbittertem Widerstand“ der „National Rifle Association“ (NRA). Die fünf Millionen Mitglieder starke Lobby der Waffenbesitzer war treibende Kraft in allen Bundesstaaten, die Gesetze verabschiedet haben, die auf einen Punkt hinauslaufen: Das Recht eines jeden amerikanischen Bürgers, einen Einbrecher zu erschießen.