Mainz. . „Tatort“-Alternative Herzkino: Das ZDF frischt seine Beziehungsfilme auf. Selbst Traditionsmarken wie Pilcher und Lindström brauchen eine Frischzellenkur, verriet Herzkino-Chefin Heike Hempel. Ihren besonderen Ehrgeiz legt sie in Filme, die im Wirtschaftswunderland spielen.
Beim Herzkino des ZDF brechen moderne Zeiten an. Die „Tatort“-Alternative am Sonntag ändert sich, weil die Gesellschaft sich ändert. Das gelte sogar für die Traditionsmarken „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“, wie Herzkino-Chefin Heike Hempel dieser Zeitung versichert.
„Tatort“ und Herzkino sind zwei Seiten einer Medaille: Auch wenn die Krimi-Reihe der ARD eher vom Sterben und die Beziehungsfilme des ZDF eher vom Leben erzählen – beide spiegeln den Wandel der Gesellschaft. „Wie funktioniert Familie in Zeiten, in denen alle Familienmitglieder online sind? Wie führt man heutzutage eine Ehe? Wie geht jemand mit einem Schicksalsschlag um? Wir wollen diese Themen mit Kraft, Humor und Tiefe erzählen“, sagt Hempel. „Wir wollen die Genres Melodram und Komödie mit der gleichen Virtuosität nach vorne bringen, wie uns das im Genre Krimi schon gelingt.“
ZDF wird Themen und Machart seiner Filme ändern
Damit macht die Fernsehmacherin klar, dass sich nicht nur Themen, sondern auch die Machart ihrer Filme ändern; es ist ein Qualitätsversprechen. Mit gutem Grund: „Die Erwartungen an das Herzkino sind in den letzten Jahren immens gestiegen. Das gilt für alle Altersklassen.“ Die Zahl der TV-Angebote ist in den vergangenen Jahren weiter gestiegen, von bewegten Bildern im Internet ganz zu schweigen. Doch Konkurrenz könnte das Geschäft beleben.
Hempel setzt auf drei Säulen. Während Pilcher und Lindström nur behutsam aufgehübscht werden, um das Traditionspublikum der Langzeit-Erfolge nicht zu verschrecken, stehen Reihen wie „Ein Sommer in...“ und „Frühling“ für frisches, im besten Fall erfrischendes Programm. Das dritte Herzkino-Element? Einzelstücke, die TV-Stars von Ulrike Folkerts über Walter Sittler und Katja Flint bis hin zu Ulrike Kriener die Möglichkeit bieten, „auch mal eine Charakterrolle jenseits des Krimis spielen zu können“ – Geschichten, die „realistisch und natürlich auch komisch von dem Mann, der Frau in den besten Jahren erzählen“.
Auch interessant
Gern in der Wirtschaftswunder-Zeit. Bestes Beispiel: „Julia und der Offizier“ mit Henriette Richter-Röhl als Leiterin eines Dorfkinderheims im Bayerischen und David Rott als US-Besatzungsoffizier. „Es war für Frauen in den 60er-Jahren noch sehr schwer, sich in einer solchen Dorfgemeinschaft zu behaupten“, erzählt Hempel mit Rückgriff auf eigene familiäre Erfahrungen in Nordhessen.
Ein ähnliches Thema nimmt der Film „Die Polizistin“ im September auf. Die junge Cornelia Gröschel spielt eine Frau, die sich, Anfang der 70er, „gegen alle Widerstände ihren Traumberuf erkämpft“.
„Downton Abbey“ in Preußen
Zurück ins 19. Jahrhundert geht die Geschichte, wie sich Volker Bruch und Mirjam Stein an „Das goldene Ufer“ (Titel) retten wollen. Sie verkörpern Bedienstete auf einem preußischen Gut, die, zwischen Napoleon und der Revolution von 1848, den amerikanischen Traum leben wollen. Die Vorlage lieferte ein Roman von Iny Lorentz. Kitsch? Hempel verneint. „Es geht nicht nur um Liebe, sondern ganz klar auch um den Aufbruch in dieser Zeit.“ Es gehe auch um Fragen nach dem richtigen Lebensstil, nach Duldung und Aufbegehren, „quasi ,Downton Abbey’ in Preußen“. Sendetermin: vermutlich Ende des Jahres.
Wenn alles gut läuft, gelingt den Produktionen dasselbe wie einem guten „Tatort“ oder sogar dem ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“. Das Drama aus dem Zweiten Weltkrieg um Alltagsmenschen war in Deutschland Tagesgespräch, im Ausland tobten gar Kontroversen. Das ZDF will die Diskussion der Stoffe in den sozialen Online-Netzwerken befeuern. Zuschauer-Reaktionen werden wahr genommen. Nicht nur das: Sie fließen auch in die Arbeit ein.