Berlin. Wer flucht im TV noch häufiger als Kommissar Schimanski? Oliver Kalkofe. Wer hat schon oft ein Dirndl ausgefüllt - und dazu Opa-Jacken, Abendkleider, Walle-Walle-Kostüme? Oliver Kalkofe. Wer präsentiert den perfekten Mix aus Imitation, Bosheit und Fäkalsprache? Und wer hat 20. “Mattscheiben“-Jubiläum? Na? Wer?
Es ist Einkaufsfernsehen der besonders grausigen Art. Ein gezeichnetes goldenes Engelchen hält ein lila Preisschild in die Kamera - statt 126,95 Euro soll das unscheinbare Fläschchen nur 89,95 Euro kosten. "Arumin besteht natürlich aus den Ursubstanzen des Lebens an sich", rasselt eine Blondine abgehackt herunter. "Hier geht es um nichts weniger als das Urwasser des Lebens - Gottes. Hier ist Maria, die Energie, natürlich drin. Gott selber war anwesend. Wir sprechen hier von der 144. Dimensionsebene." Ist alles echt. Oliver Kalkofe hat bei Astro-TV eine neue Perle im Trash-Fernsehen entdeckt.
Kalkofe hopst ins Standbild, perfekt in dem beigen Look der Blondine - nur wirklich deutlich draller. "Die 145. Dimensionsebene bekommt man nur mit Bahncard 50, Erste Klasse, über zwei Promille, wenn man die Finger in die spirituelle Steckdose hält und sich dabei mit einer geweihten Bratpfanne 145 Mal auf den Kopf schlägt. Das Arschumin besteht natürlich aus dem Urfusel des Lebens an sich." Seit 20 Jahren rechnet der 48-Jährige in "Kalkofes Mattscheibe" mit TV-Sünden ab.
Perfekte Imitation, Bosheit und Fäkalsprache
Für den Mix aus perfekter Imitation, Bosheit und Fäkalworten lieben ihn viele. Die "Mattscheibe" - einst für den Hörfunksender Radio ffn entwickelt, dann beim Pay TV Premiere zu sehen, inzwischen auf Tele 5 - ist eine der wenigen Sendungen, die das Wort Kult verdienen. Kalkofe trug schon Dirndls, Opa-Jacken, Abendkleider, Walle-Walle-Kostüme. Ein ganzes Team von Schneidern und Maskenbildern sorgt für ihn.
Die dicke Astrologin Hilli, die schrägen Wahrsager "Lorelei und Luke", der Schlagersänger Achim Mentzel, das Fotomodell Kader Loth, Rapper Kay One und wie sie alle heißen - Kalkofe hat sie alle durch den Kakao gezogen. Bis heute sind es 1800 Filmchen. "Ich glaube, es wird irgendwann Folgeschäden geben", sagt er im Interview der Nachrichtenagentur dpa. "Ich habe so viele Rollen gespielt in über 1800 Clips! Das ist eine ganz ausgeprägte Form der Schizophrenie. Irgendwo sind diese Persönlichkeiten ja alle noch in mir verborgen." Er habe "ein ein bisschen Angst davor, was da noch alles passieren könnte".
Scripted Reality macht doof
Kalkofe ist offenkundig unglücklich ins deutsche Fernsehen verliebt. Wer sich mit ihm unterhält, merkt, dass sein Pulsschlag wirklich schneller wird, wenn er über die TV-Trends Scripted Reality und Dokusoap spricht. "Das hat nichts mit Fernsehen zu tun", schimpft er. "Das möchte niemand sehen, diese Programme haben keine Existenzberechtigung. Sie sind aber billig und man findet immer ein paar Leute, die sich für 50 Euro auf die Hand zum Idioten machen. Diese Art Fernsehen macht auf Dauer wirklich doof."
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Vor 20 Jahren, als er anfing, sei die Krone des Irrsinns die Volksmusik gewesen. "Die waren zwar größtenteils unfassbar dämlich, meinten es aber nicht böse und wollten die Leute wirklich unterhalten." Wirklich erschreckend sei, "dass das Fernsehen an Zynismus zugenommen hat und dass dem Fernsehen das Publikum inzwischen vollkommen scheißegal ist".
Mancher Schund hat Klasse
Auch wenn Kalkofe sich über die zunehmende Verdummung durch den Müll im TV ärgert: Dass mancher Schund schon wieder Klasse hat, stellt er selbst unter Beweis. Mit Comedy-Autor Peter Rütten hat er die Tele-5-Reihe "Die schlechtesten Filme aller Zeiten" ins Leben gerufen. Sie spannt den Bogen von "Die schwarzen Zombies von Sugar Hill" bis zu "Zwiebel-Jack räumt auf", ein Western-Klamauk mit "Django"-Darsteller Franco Nero und einem sprechenden Pferd.
Sein Haussender feiert das Schwergewicht der TV-Kritik vor Ostern mit einer "Kalk-Woche". Von Montag bis Donnerstag gibt es täglich um 20.15 Uhr eine Stunde "Mattscheibe". Höhepunkt ist am Karfreitag um 20.15 Uhr die Gala "The Incredible Kalk" mit den Top 20 der Sendung.
Ob er noch das 50. Jubiläum der "Mattscheibe" feiern wird? Kalkofe ist zuversichtlich. Er habe von den Vorbildern Batman, Superman und Spiderman gelernt: "Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. Und so sitze auch ich in meiner Bat-Höhle vor den ganzen Bildschirmen im Dunkeln und sehe mir den Wahnsinn an und versuche immer wieder, mich in mein Kostüm zu schwingen und dann gegen das Böse zu kämpfen." (dpa)