Peking. Die Suche nach der vermissten malaysischen Passagiermaschine ist am Samstag in die dritte Woche gegangen. In Peking bedrohten Familienangehörige von Passagieren der Maschine malaysische Behördenvertreter und forderten: “Sagt uns die Wahrheit, gebt uns unsere Angehörigen zurück.“
Auf dem Fernseher flimmern die neuesten Informationen über die Suche nach Flug MH370. Aber nur wenige Angehörige in dem Hotelzimmer in Peking blicken auf den Bildschirm. Viele sitzen wortlos auf den Stühlen, tippen auf ihren Smartphones oder starren gedankenverloren in die Gegend. Seit zwei Wochen schweben sie zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Die langen Tage in Gedanken an das Schicksal ihrer Freunde und Verwandten an Bord der Boeing 777-200 haben sie mürbe gemacht.
Die Psychiaterin Li Xianyun ist seit Tagen im Dauereinsatz in dem Hotel. "Die Angehörigen leiden wahnsinnig", sagt die Medizinerin vom Pekinger Huilongguan Krankenhaus der Nachrichtenagentur dpa. "Manche Angehörige weinen oft. Viele von ihnen sehen erschöpft, geradezu taub aus."
Li Xianyun ist Profi. Die Ärztin ist auf Krisensituationen spezialisiert. Sie hat ausgiebig zur Vorbeugung von Selbstmorden geforscht. Aber die Tage mit den Angehörigen bringen selbst Li an ihre Grenzen: "Ich bin so traurig. Und dabei weiß ich, dass es den Angehörigen noch schlimmer gehen muss."
400 Angehörige harren in Pekinger Hotels aus
Die Mehrheit der 239 Menschen an Bord des malaysischen Flugzeuges waren chinesische Staatsbürger. Viele von ihnen waren am 8. März von Kuala Lumpur auf dem Heimweg nach Peking.
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Die Fluggesellschaft Malaysia Airlines hatte den Angehörigen angeboten, sie kostenlos von Chinas Hauptstadt nach Malaysia zu fliegen, um dort auf die Ergebnisse der Suchaktion nach der Boeing zu warten. Aber viele lehnten ab. Laut Chinas Staatsfernsehen CCTV sollen noch etwa 400 Angehörige in mehreren Pekinger Hotels ausharren.
Die Familien der Passagiere sind in einem konstanten Ausnahmezustand. "Für sie ist es wie in einer emotionalen Achterbahn: Es gibt etwas Hoffnung, dann kommen wieder schlechte Neuigkeiten, aber plötzlich gibt es wieder neue Hoffnung", sagt die Medizinerin Li. Die Medien sollten nicht jedes Detail aufbauschen. Denn schließlich sei noch überhaupt nicht klar, ob das Flugzeug abgestürzt sei.
Die Angehörigen klammerten sich an jede Hoffnung. "Es gab ja beispielsweise Berichte, dass das Flugzeug auf einer unbekannten Insel gelandet sein könnte", sagt die Fachärztin. Solche Spekulationen verfolgten die Familien sehr genau.
Quälende Ungewissheit
Die Ungewissheit setzt den Freunden und Verwandten der Passagiere zu. Psychologen hatten genau das als die größte Belastung beschrieben. "Es gilt der alte Spruch: Ein Ende mit Schrecken ist manchmal leichter zu ertragen als ein Schrecken ohne Ende", hatte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Jürgen Margraf, vor wenigen Tagen gesagt.
Allerdings könnte die Situation den Angehörigen auch helfen, sich langsam auf das Schlimmste einzustellen, meint Li Xianyun. "Sie haben mehr Zeit, die Informationen zu verarbeiten und sich emotional vorzubereiten." Allerdings sei es noch viel zu früh für eine fundierte psychiatrische Analyse. "Jeder Mensch reagiert unterschiedlich", sagt Ärztin Li. Falls die Befürchtungen von einem Absturz Gewissheit werden sollte, wäre das sicherlich für einige ein Schock. Aber andere Familien könnte es eher befreien. Die Strategie raus aus der Verzweiflung und Lethargie sei: "Sie müssen wieder in ihr Leben zurückkehren und weitermachen." (dpa)