Oslo. . In Norwegen tobt eine Kontroverse um die künstlerische Aufarbeitung des Massakers von Utoya: Eine „Memorial Wound“ sieht vor, die Landzunge Sorbraten, deren Spitze auf das 1,5 Kilometer entfernte Utoya zeigt, zu zerschneiden. Kritiker finden den Entwurf “abscheulich“.
Eigentlich sollte nach dem Ausscheidungsverfahren alles klar sein. Unter 300 Bewerbern aus 45 Ländern für ein Denkmal zum Massaker von Utoya im Juli 2011 hatte sich der schwedische Künstler Jonas Dahlberg behauptet. Doch vielen Anwohnern geht sein Vorschlag zu weit.
Dahlbergs „Memorial Wound“ sieht vor, die Landzunge Sorbraten, deren Spitze auf das 1,5 Kilometer entfernte Utoya zeigt, zu zerschneiden. Dreieinhalb Meter soll die Schneise breit sein, an ihrer Innenseite sollen die Namen der 69 Opfer eingraviert werden. Der Attentäter Anders Breivik ermordete sie, nachdem er im Osloer Regierungsviertel eine Bombe gezündet hatte, die ihrerseits acht Menschen das Leben kostete.
Die unberührbare Tafel auf der anderen Seite
Die Namen sollen vom Festland aus lesbar, aber wegen der Kluft nicht berührbar sein. Betrachter sollen durch die Wunde in der Landschaft mit dem Trauma und dem Verlust konfrontiert werden, so das Konzept. Das Material aus der Spalte soll im Osloer Regierungsviertel zu einem zweiten Denkmal geformt werden. Bereits zum nächsten Gedenktag, dem 22. Juli 2015 soll alles fertig sein. „Der Vorschlag ist radikal und mutig und erinnert ganz direkt und körperlich an die tragischen Ereignisse“, lobte die Jury ihren Entscheid.
Das Grauen von Utöya
Doch bei Anwohnern und Hinterbliebenen regt sich nun Widerstand. Den Utoya-Anwohnern, die selbst durch das Massaker in direkter Blickweite, die Schüsse und Schreie, traumatisiert sind, ist eine Aussicht auf eine amputierte Halbinsel zu grausig. Sie haben eine Kampagne gestartet, um das Denkmal zu stoppen. Es sei „eine Vergewaltigung der Natur“, schreiben sie. In einer Facebook-Protestgruppe haben sich bereits über 700 Personen eingetragen.
"Abscheuliches Monument", "Touristen-Attraktion"
Einer der Kritiker, Ole Jensen, argumentiert, dass die Anwohner jeden Tag mit der Aussicht auf das unbarmherzige Denkmal konfrontiert wären. Es sei viel zu aufdringlich. Auf der Facebook-Seite wird das geplante Denkmal als „abscheuliches Monument“ und makaber als „Touristen-Attraktion“ beschimpft. „Das wird eine Touristenpilgerstätte und kein friedlicher Gedenkort“, schreibt Jensen auf Facebook.
„Für uns ist es schwer zu akzeptieren, dass wir jeden Tag für den Rest unseres Lebens an den 22. Juli erinnert werden sollen“, sagt auch Anwohner Elling Juvet. Die Anwohner plädieren dafür, dass nur auf der Insel Utoya selbst ein Denkmal errichtet wird.
Die Befürworter des Denkmals sind irritiert. Sie vermuten, dass die Anwohner vor allem Angst um ihre Immobilienpreise hätten, wenn noch deutlicher auf den nahen Ort des Blutbads hingewiesen werde. Viele wohlhabende Osloer haben sich in der Vergangenheit in der schönen Gegend um Utoya Villen gekauft.
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Vanessa Svebakk, Mutter einer auf Utoya ermordeten 14-Jährigen, äußerte sich im Rundfunk NRK. Sie wolle nicht, dass der Name ihrer Tochter auf diesem Monument verewigt wird, stellte sie klar. „Niemandem darf erlaubt werden, mit dem Namen meiner toten Tochter Geld zu machen. Wir wollen ihren Namen nicht auf dem Monument. Es ist haarsträubend, dass der Staat uns niemals gefragt hat“, sagte sie. Ihre Tochter sei nicht auf Sorbraten gestorben. Ein Denkmal dort sei nicht plausibel.