Johannesburg. War es ein tragischer Irrtum oder kaltblütiger Mord? Ein Gericht wird klären, wieso das Model Reeva Steenkamp, die einstige Lebensgefährtin des einstigen Sport-Idols Oscar Pistorius, sterben musste. Der südafrikanische Ausnahme-Athlet muss sich ab Montag in einem Mordprozess erklären.

War es ein furchtbarer Irrtum oder vorsätzlicher Mord? Geht Oscar Pistorius als vom Schicksal geprüftes Sportidol in die Geschichte ein oder als jähzorniger Waffennarr? Von Montag an muss sich der beinamputierte Sprintstar vor Gericht verantworten, weil er am Valentinstag 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen hat - angeblich in Panik, weil er sie für einen Einbrecher hielt. Hunderte Journalisten werden das auf drei Wochen angelegte Verfahren, das teils auch live im Fernsehen übertragen werden soll, vor dem Gauteng High Court in Pretoria verfolgen.

Sollte der 27-jährige wegen Mordes schuldig gesprochen werden, drohen ihm 25 Jahre im Gefängnis und das abrupte Ende seiner bisher so schillernden Karriere. Als "schnellster Mann ohne Beine" wurde Pistorius von Millionen weltweit bewundert und von Luxusmarken umworben.

1986 kommt er als mittlerer Sohn einer weißen, wohlhabenden Familie zur Welt. Er wird ohne Wadenbeine geboren, später müssen beide Beine unterhalb des Knies amputiert werden. Mit speziell angefertigten Karbon-Prothesen treibt er dennoch viel Sport, im Alter von 16 Jahren beginnt er mit dem Lauftraining.

Behinderung war selten Thema in der Familie

Um seine Behinderung habe seine Familie nie viel Aufhebens gemacht, sagte Pistorius der britischen Zeitung "Independent" 2011: "Meine Mutter sagte zu meinem Bruder 'Zieh Deine Schuhe an' und Oscar 'Zieh Deine Beine an' und wir treffen uns am Auto."

Als er sechs Jahre alt ist, lassen sich seine Eltern scheiden, als er 15 ist, stirbt seine geliebte Mutter. 2004 stellt der Starathlet mit eisernem Willen bei den Paralympics in Athen einen neuen Weltrekord über 200 Meter auf. 2011 startet er als erster Beinamputierter bei einer Leichtathletik-WM und holt mit der südafrikanischen Staffel über 4 x 400 Meter Silber.

Das Männermagazin GQ kürt ihn zum "bestangezogenen Mann 2011". 2012 erlangt Pistorius endgültig Weltruhm, als er bei den Olympischen Sommerspielen in London Seite an Seite mit den Unversehrten antritt. In diesem Jahr wählt ihn das US-Magazin "Time" unter die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt.

Vier Kugeln durchschlagen die Badezimmertür

Auf die steile Karriere folgt der tiefe Fall: Am 14. Februar 2013 feuert Pistorius in seinem Haus in Pretoria vier Kugeln durch die geschlossene Badezimmertür und tötet die 29-jährige Steenkamp, ein südafrikanisches Model. Er beteuert, er habe sie für einen Einbrecher gehalten. Am 22. Februar kommt er auf Kaution frei, seine Familie teilt mit, er sei "benommen vor Schock und Kummer". Seine Werbepartner Nike und Clarins verzichten seither auf eine Zusammenarbeit.

Die tödlichen Schüsse rücken frühere Aggressionen ins Rampenlicht: So schlug Pistorius bei den Paralympics in London vor Wut auf die Prothesen eines Kontrahenten ein. 2009 verbrachte er nach einem Übergriff auf eine 19-Jährige eine Nacht im Gefängnis. Zwei Jahre später soll er durchs Schiebedach des Autos einer Ex-Freundin geschossen haben.

Im Restaurant fiel ein Schuss

Und nur wenige Wochen vor Steenkamps Tod gab er angeblich versehentlich einen Schuss ab - in einem gut besuchten Restaurant in Johannesburg. "Oscar ist sicher nicht so, wie die Leute denken", sagt seine Ex-Freundin Samantha Taylor, die beim Prozess als Zeugin auftreten soll. (afp)