Berlin. . Ein Kerl wie ein Kleiderschrank. Judomeister. Frauenflüsterer. Ronald Zehrfeld ist Star in gleich zwei Kinofilmen, in Feo Aladags Kriegsfilm „Zwischen Welten“ und in in Dominik Grafs Schiller-Film „Die geliebten Schwestern“. Der 37-jährige Schauspieler in der ersten Liga seiner Zunft gelandet.
Vergesst Clooney, jetzt kommt Zehrfeld: Erwachsene Frauen kriegen leuchtende Augen, Kinogängerinnen im ganzen Land sind sich einig – der Mann mit der Wikingerfigur sieht nicht nur aus wie ein echter Kerl, er spielt auch welche. Kluge, großzügige Männer. Fürsorger und Kümmerer. Typen mit Format. Auf der Berlinale ist Ronald Zehrfeld gleich in zwei Wettbewerbsfilmen zu sehen – beide kommen demnächst ins Kino.
Der Mann ist nicht zu übersehen: fast zwei Meter groß, massige Schultern, ein Kraftkerl. Zehrfeld gehört zu der Sorte Menschen, die keinen Flaschenöffner brauchen, weil die Kronkorken beim bloßen Anblick ihrer Hände lieber selbst von der Flasche fliegen. Mit den ausgehungerten Modells in der Männerwerbung jedenfalls hat er nichts gemein: „Für dich züchten sie schon größere Pferde“, frotzelt Friedrich Schiller alias Florian Stetter in Dominik Grafs Weimar-Film. Da grinst er nur.
Beim Treffen am Rande der Berlinale merkt man schnell, warum die erste Liga der deutschen Regisseure gerade unbedingt mit Zehrfeld drehen will: Der 37-Jährige mit den großen grünen Augen ist ein menschliches Kraftwerk, das auf seine Umgebung abstrahlt. Warmherzig, optimistisch, tatendurstig – und trotzdem ohne Scheu, entsetzliche Angst oder lähmende Selbstzweifel zu spielen.
Zehrfeld spielt Männer, die ihr eigenes Ding durchziehen
Gut, wenn Zehrfeld sich erst mal in Fahrt redet, gehen seine großen Pferde schnell mit ihm durch. Aber keine Spur von Angeberei oder Allüren. Dabei hätte Zehrfeld langsam Grund für Eitelkeiten. Es muss ja nicht gleich Hollywood sein – aber wer andauernd Hauptrollen bei deutschen Regie-Größen wie Dominik Graf oder Christian Petzold bekommt, ist zumindest hierzulande ganz oben angekommen.
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Im DDR-Drama „Barbara“ hat Zehrfeld an der Seite von Nina Hoss einen aufrechten Kinderarzt gespielt, in Grafs Fernsehserie „Im Angesicht des Verbrechens“ hat er gegen die Russenmafia gekämpft, in der preisgekrönten ARD-Serie „Weissensee“ war er ein oppositioneller Pfarrer. Zwei neue Filme stehen gerade im Wettbewerb um die „Bären“ der Berlinale: In Feo Aladags Afghanistan-Drama „Zwischen Welten“ spielt Zehrfeld den Bundeswehrhauptmann Jesper, in Dominik Grafs Schiller-Film „Die geliebten Schwestern“ ist er Schillers Freund Wilhelm von Wolzogen.
Herzog in Weimar oder ISAF-Soldat in Kundus – zwei Welten, ein Typus: Zehrfeld spielt Männer, die nicht nur ihr eigenes Ding durchziehen, sondern anderen unter die Arme greifen. Wolzogen hilft seinem lebensfremden Freund Schiller immer wieder aus der Patsche, Hauptmann Jesper will das Leben seines afghanischen Dolmetschers und dessen Schwester retten und gerät zwischen alle Welten.
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Die Kamera verweilt auf Zehrfelds breitem Nacken, auf seiner stabilen Statur und zeigt, wie der Mensch darin zu zerreißen droht – zwischen Befehl und Gewissen, Angst und Auftrag. Weil er eine sterbende Kuh von ihren Qualen erlöst, ohne den Besitzer zu fragen, weil er dazwischen geht, wenn die afghanischen Verbündeten ihre eigenen Leute halb tot prügeln, weil er menschlich reagiert, riskiert er das Leben seiner Leute. „Reiß’ dich zusammen“, sagt sein Kollege. Doch da draußen, in der afghanischen Wüste, so scheint es, gibt es nur die Entscheidung zwischen Falsch und Falsch.
Judo prägte das Leben des Kraftkerls aus dem Osten Berlins
Ende März kommt Feo Aladags Kriegsfilm „Zwischen Welten“ in die Kinos. Der ehemalige Zivi Ronald Zehrfeld hat eine Woche lang in einer Bundeswehrkaserne gelebt, um sich in den Sprachduktus, die Gesten, die Codes einzuhören. „Ich wollte wissen, was den Soldaten fehlt, in der Berichterstattung, in der öffentlichen Wahrnehmung“, sagt er. Um zu erfahren, was er davon zeigen könnte. Tatsächlich musste Zehrfeld erstmal begreifen, wie wenig er bislang begriffen hatte: „Ich wusste vorher vielleicht ein Prozent über Afghanistan, jetzt weiß ich drei Prozent.“
Zehrfeld ist in Ostberlin aufgewachsen, mit elf Jahren war er DDR-Jugendmeister in Judo. Den Kampfsport hat er aufgeben – dessen Prinzip aber nicht: Zehrfeld spielt, wie ein Judoka kämpft – uneitel, aber effektiv.