Mainz. . Von wegen Land-Idylle, dieser Film hätte auch „Drei Bullen – der Gute, der Böse, der Hässliche“ heißen können. Meisterregisseur Dominik Graf (zehn Grimmes) zeigt die dunkle Seite des Idylls – und die dunkle Seite der Macht. Der ZDF-Krimi „Das unsichtbare Mädchen“ ist dabei spannend bis zum letzten Bild.

Das Fernsehen hat die Dörfler entdeckt. Der Eifel-Krimi „Mord mit Aussicht“ feiert im Ersten ungeahnte Erfolge, und auch im Zweiten haben Regisseure wie Lars Jessen guten Zuspruch mit Komödien wie „Fischer fischt Frau“. Die Leute vom Land gelten als liebenswert verschroben, gefährlich wirken sie nie. Mit derlei pittoresken Genre-Bildern einer scheinbar heilen Welt hat der Film von Dominik Graf gar nichts zu tun. Im Gegenteil: „Das unsichtbare Mädchen“ (Montag, ZDF, 20.15 Uhr) erzählt bei schönsten Sommer-Panoramen von der dunklen Seite jenseits der Idylle – und das so spannend wie selten.

Der Film hätte auch „Drei Bullen – der Gute, der Böse, der Hässliche“ heißen können. Tatsächlich gibt es mit drei wichtigen männlichen Darstellern, die sich reiben, Western-Anklänge. Im Zentrum der Geschichte stehen aber ein vermisstes Mädchen – und Kinderprostitution.

Ein scheinbar geklärter Fall

Ronald Zehrfeld kommt als junger Polizist aus Berlin in die Provinz. In der Dorfkneipe sieht er das Bild eines vermissten Mädchens namens Sina an der Wand, daneben einen Schriftzug: „Ecco, wir vergessen Dich nicht!“. Das Mädchen ist für tot erklärt, der Täter, so scheint es, für immer in die Psychiatrie weggesperrt. Ein aktueller Mord weckt Zweifel an der Version. Der zugereiste Polizist beginnt zu ermitteln – zum Unmut seines autoritären Chefs (Ulrich Noethen). Der dritte Fahnder Elmar Wepper) ist längst im Ruhestand. Der alte Grantler weiß mehr, als er sagt – etwa über die Dorfschlampe (sexy, ordinär, zerrissen: Silke Bodenbender), Sinas Mutter.

Ein junger Wilder ermittelt

Zehrfeld gibt den jungen Wilden, voller Tatendrang und Testosteron. Nach einem Mittelalterfest schläft er mit der Mutter des vermeintlichen Mordopfers. Damit sind die Themen der düsteren Dorf-Ballade umrissen: Sex und Gewalt. Wer Dominik Graf kennt, weiß, dass der skeptische Moralist zu allerletzt den Voyeurismus des Publikums bedient. Der zehnfache Grimme-Preisträger zeigt, dass Sex mit Lebenslust zu tun hat, aber mindestens genauso viel mit Gier und Macht, mit Ausbeutung und Menschenverachtung – auch in Oberfranken, einem Landstrich jenseits der Metropolen. Verlotterte Fassaden berichten von wenig Geld und viel Frust. Genau diese unheilvolle Mischung wird von Tschechiens Sex-Industrie, nur wenige Kilometer hinter der Grenze, brutal ausgebeutet.

Kindliche Gesellschaftsspiele vor vergitterten Fenstern

Genau dort hin führen die Spuren im Fall Sina. Graf gelingt dabei eine Szene, die in ihrer Beiläufigkeit fassungslos macht: Der junge Fahnder gibt vor, sich in einem Sex-Club amüsieren zu wollen. Der Bordell-Besitzer bietet ihm ein Zimmer an, in dem er mit den Damen machen könne, was er wolle: Es sind drei Mädchen bei kindlichen Gesellschaftsspielen. Entkommen ist den Kindern unmöglich: Die Fenster sind vergittert.

Die dunkle Seite der Macht

Graf schärft das ohnehin brisante Thema weiter an. Der Dorf-Sheriff macht nichts, ohne sich bei Staatssekretär (Tim Bergmann) oder Innenminister (Michael Lerchenberg) abzusichern. Zugleich wird die dunkle Seite der Macht offenbar, deren Corps-Geist frösteln lässt. Schließlich wird klar, dass es in dem 90-Minüter nicht nur um Verdrängen und Wahrheitssuche geht, sondern auch um Gerechtigkeit und, ja, Rache.

Graf und sein Drehbuch-Duo Friedrich Ani und Ina Jung ließen sich bei ihrem erstklassigen Krimi von einem echten Fall inspirieren, dem Fall der verschwundenen Peggy. Listig betont Autor Ani, seine Story sei fiktiv – aber sie enthalte Splitter der Wirklichkeit.