Essen. Das Kreuz mit dem Kreuz: Rückenschmerzen sind in Deutschland das Volksleiden Nummer eins. Die Gründe: Bewegungsmangel, Übergewicht, Fehlhaltungen und zu viel Stress. Schon einfache Alltagstipps können das Leiden lindern.
Sie sind in Deutschland das Volksleiden Nummer eins – Rückenschmerzen. Jeder dritte Deutsche sagt, dass er schon an Rückenschmerzen gelitten hat, bei 20 Prozent sind die Beschwerden sogar chronisch. Ob plötzlich auftretende Schmerzen oder ein dauerhaftes Leiden, der Alltag wird in jedem Fall zur Qual.
Rückenschmerzen können viele Ursachen haben: Bewegungsmangel, Übergewicht, Stress, Angst, Depression oder eine ungünstige Körperhaltung. Muskel- und Knochenprobleme gehören ebenso zu den Risikofaktoren wie Verschleiß und Abnutzung. Seltener sind Rückenschmerzen die Folge einer Entzündung wie Rheuma oder eines Schleudertraumas.
Körperliche und seelische Ursachen
In 95 Prozent aller Fälle sind es zu schwache Muskeln oder verkürzte, unelastische Bänder, die die Schmerzen hervorrufen. Oft können gar keine körperlichen Ursachen gefunden werden, die direkt für den Schmerz verantwortlich sind. Deswegen ist in den vergangenen Jahren verstärkt die Psyche als Auslöser in den Fokus gerückt. Plagen den Menschen Kummer und Stress, verkrampft er. So rühren Rückenschmerzen auch in den meisten Fällen von der Muskulatur her, „weil hier körperliche und seelische Faktoren aufeinander treffen“, wie Prof. Dr. Hans-Raimund Casser, ärztlicher Direktor des DRK Schmerz-Zentrums Mainz erklärt.
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Bereits kleine Dinge im Alltag entlasten allerdings den Rücken. Das A und O ist Bewegung. So warnt der Deutsche Verband für Physiotherapie vor allem davor, im Büro stundenlang vor dem Computer zu sitzen. Hier hilft es, ab und zu im Stehen zu telefonieren oder kleine Bewegungsübungen einzuschieben. Auch der Treppe sollte gegenüber dem Fahrstuhl der Vorzug gegeben werden.
Erster Schritt: In sich hineinhören
Vor allem aber, sagt Prof. Dr. Hans-Raimund Casser, sei es wichtig, sich mit dem eigenen Körpergefühl zu beschäftigen. „Das erste, woran man arbeiten muss, ist, Fehlhaltungen zu identifizieren.“ Hochgezogene Schultern und ein eingezogener Kopf sind nicht nur Zeichen für Stress, sondern auch schlecht für den Rücken.
Was auf der Arbeit funktioniert, lässt sich später daheim fortsetzen: Haus- und Gartenarbeit tun dem Rücken gut – sofern man es nicht übertreibt. Denn sonst droht die Gefahr der Überbelastung, was zu Muskelverspannungen oder Gelenkproblemen führen kann.
Weniger ist mehr – dieses Motto gilt auch beim Sport: unter anderem kräftigen Spazieren, Radfahren oder Schwimmen den Rücken. Sport erfüllt sogar zwei Funktionen. Er stärkt die Muskeln und hilft dabei, Dampf abzulassen, was Stress reduziert. Gegen die psychischen Auslöser von Rückenschmerzen helfen auch Entspannungsübungen wie Yoga oder die progressive Muskelentspannung.
Der Schmerz signalisiert: In Bewegung bleiben
Außerdem ist spezielle Rückengymnastik ein gutes Mittel, um gezielt die Muskulatur zu stärken. Unter der Anleitung von Physiotherapeuten oder in Rückenschulen lassen sich viele Übungen leicht lernen. „Die Physiotherapie empfiehlt sich aber meist erst, wenn bereits akute Schmerzen auftreten“, sagt Dr. Ralf Buhl, Chefarzt am Städtischen Klinikum Solingen.
„Wenn man Rückenschmerzen hat, bedeutet das zunächst, dass man aktiv bleiben sollte“, rät Prof. Dr. Hans-Raimund Casser. Sich vorsichtig zu bewegen, ist besser, als sich starr hinzulegen. „Dabei sollte man sich möglichst im schmerzfreien Bereich bleiben“, sagt Casser.
Auch Wärme durch Kirschkernkissen oder eine Rotlichtlampe können bei Rückenschmerzen Linderung bringen – vor allem bei chronischen Leiden. Ebenso sind Thermopflaster eine Option. Sie enthalten den Wirkstoff Capsaicin, der auch Chili-Schoten ihre Schärfe gibt. Er regt die Durchblutung an und lockert so die Muskulatur. Zudem blockiert er die Schmerz-Weiterleitung an den Nerven-Enden. Bei akutem Schmerz tut Kälte gut. Sie bremst den Stoffwechsel und hemmt entzündliche Reizungen.
Oft wird vorschnell operiert
Bei Medikamenten rät Dr. Ralf Buhl zu so genannten Antiphlogistika – also solchen, die Entzündungen hemmen. Tabletten seien besser als Schmerzsalben, die nur an der Oberfläche wirken.
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Bei ständigen und häufig auftretenden Schmerzen kommt man um einen Besuch beim Haus- oder Facharzt nicht herum. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Wirbelsäulen-Operationen stark gestiegen. Experten kritisieren, dass oft vorschnell operiert wird. Deswegen rät auch Dr. Ralf Buhl, der selbst viele solcher Eingriffe durchführt, zunächst abzuwarten. „Generell sollte man mindestens sechs Wochen alle konservativen Mittel ausschöpfen, bevor man einen solchen Eingriff in Betracht zieht“, sagt er. Physiotherapie und ähnliche Behandlungsansätze versprechen Hilfe, ohne sich unter das Messer zu legen. Im Zweifel, so Buhl, sollten Patienten ruhig eine zweite Diagnose einholen.
Aber auch nach einer Rückenoperation sind nicht alle Probleme gelöst. Wer dauerhaft ohne Schmerzen leben will, sollte nachher unbedingt etwas für seinen Rücken tun. „Die wenigsten Menschen ändern allerdings nach einer Operationen ihren Alltag“, sagt Buhl.
Tipps und Adressen
Im Institut für Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische und Indische Medizin an den Kliniken Essen-Mitte geht es im ambulanten Bereich um die Vorbeugung sowie die Behandlung akuter und chronischer Erkrankungen wie etwa Rückenschmerzen. Info unter www.kliniken-essen-mitte.de
Das Wirbelsäulen-Zentrum Köln-Krefeld legt sein Hauptaugenmerk auf eine der häufigsten Zivilisationskrankheiten: den Rückenschmerz. Info unter:
wirbelsaeule-koelnkrefeld.de
Krankenkassen wie etwa die AOK Rheinland-Hamburg zahlen Zuschüsse zu den Kosten für Rückenschul-Kurse. Mehr Informationen dazu auf den Homepages der jeweiligen Krankenkasse wie zum Beispiel www.aok.de, Suche nach dem Unterpunkt „Gesundheitskurse vor Ort“.