Gelsenkirchen.. Wie entstehen Rückenschmerzen, welche Therapiemöglichkeiten gibt es, wann muss man operieren und wie kann ich mir selbst etwas Gutes tun, vorbeugen bzw gegensteuern– all diese Fragen beantworteten der Neurochirurg Dr. Uwe Wildförster und die Diplom-Psychologin Andrea Höncke beim WAZ-Medizinforum im Bergmannsheil Buer.
Haben wir nicht alle manchmal Rücken? Der Verdacht zumindest lag nahe angesichts des ausgebuchten Saals beim WAZ-Medizinforum am Mittwoch im Bergmannsheil in Buer, das unter dem Titel stand: „Das Kreuz mit dem Kreuz“.
Dr. Uwe Wildförster, Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie, führte in das Thema ein. „Rückenschmerzen sind eine unendliche Geschichte. Sie sind eine der Hauptursachen für Arztbesuche.“ Um zu verstehen, was da im Körper geschehe, bedürfe es anatomischer Kenntnisse, so der Mediziner, der sogleich mit einem Schaubild des Wirbels aufwartete. Besonderes Augenmerk verdiene die Bandscheibe, ein Faserring mit Gallertkern. „Wenn der Faserring reißt, tritt Gallert aus. Sie haben, einfach gesagt, einen Platten“, erklärte der Mediziner. „An einer Stelle, wo die Nerven eingeklemmt werden.“ Und eben das verursache die Schmerzen beim Bandscheibenvorfall.
Die gute Nachricht laut Wildförster: „Ich glaube, 90 Prozent der Schäden müssen nicht operiert werden.“ Bei nur vier Prozent der Erkrankten werde operiert – und das nur noch mit zwei Methoden, der Mikro-Chirurgie und der Endoskopie. „Die Erfolgsaussichten liegen hier bei 85 Prozent.“
Erster Schritt der konservativen Therapie, wenn nicht operiert werden muss, sind die akute Schmerzbehandlung und die Entlastung der Wirbelsäule. „Die Entspannungshaltung zeigt ihnen ihr Körper selbst. Die finden sie selbst heraus, indem sie vieles ausprobieren.“ Dann stehen die medikamentöse Behandlung und die Physiotherapie an. Das Wichtigste aber ist die Rückenschulung. Ein gesunder oder wenigstens schmerzfreier Rücken, dafür sei man selbst verantwortlich. „Daran müssen sie selbst arbeiten. Und hier gilt: Vorbeugen ist immer das Beste.“
Sein Tipp: „Wichtig ist, dass sie die Wirbelsäule rückengerecht belasten. Das bedeutet, dass sie beim Heben, Tragen und Bücken die Muskulatur anspannen und die Wirbelsäule nicht verbiegen.“ Auch im Büro dürfe man den Rücken nicht vergessen. Da solle man auch mal aufstehen. Und noch besser: „Wenn Sie die Gelegenheit haben, die Füße mal hoch zu legen, sollten Sie das tun.“Und es mache Sinn, die Arbeitsplatten in der Küche der eigenen Körpergröße anzupassen. Vor allem aber gelte es, auf den Nachwuchs zu achten. Der verbringe viel zu viel Zeit am Computer und der Spielekonsole und viel zu wenig mit körperlicher Aktivität. „Bleiben sie in Bewegung“, war sein eindringlicher Appell. Wie das geht, zeigten Physiotherapeuten des Hauses im Foyer vor und nach den Vorträgen.
Mit Rucksack um den Berger See
Bei der Fragerunde wollte eine Dame wissen, wie der Schmerz beim Verschleiß der Wirbelsäule entstehe. „Aus der Fehlhaltung. Das ist wie, wenn sie zu wenig Luft im Reifen haben. Dann nutzt das Profil ab“, so Wildförster. Und sein Rat für eine Besucherin, die unter Osteoporose leidet: „Ernähren sie sich gesund, calciumreich mit Milch und Salat. Und belasten sie die Wirbelsäule unter Gewicht. Schnallen sie sich einen Rucksack auf, packen sie zwei PET-Flaschen hinein und laufen sie zwei Runden um den Berger See.
Den inneren Schweinehund besiegen
Bewegung ist bei Rückenschmerzen das A und O. Aber jeder weiß, in Bewegung zu kommen, das braucht Disziplin. Wie man den inneren Schweinehund überwindet, das erklärte Diplom-Psychologin Andrea Höncke.
Mit einer Überraschung ging es los: „Der Schweinehund meint das gar nicht schlecht. Der will uns schützen vor Überanstrengung.“ Und der Schweinehund ist quasi ein „Urzeittier“. Den gab es schon immer. „Unser Gehirn hat sich seit der Steinzeit nicht so sehr geändert. Der Steinzeitmensch hat sich nur dann geändert, wenn es nicht anders ging. Und so ein bisschen ticken wir heute noch so. Wir lieben das, was wir tun, in der Hoffnung, es wird alles besser.“ Eine Veränderung hingegen bedeute Unsicherheit. Doch genau dieses Prinzip können man austricksen. „Wir sollten uns realistische Ziele setzen, uns eine Bewegungsform suchen, die zu uns passt – dann halten wir besser durch.“
Gemeinsam, so Höncke, erreiche man Ziele leichter. Und Sport in der Gemeinschaft macht ja auch Spaß. Man könne auch die Sporteinheiten im Kalender eintragen, ihnen so die Bedeutung eines „echten“ Termins geben. Das helfe. Und wichtig sei es auch, sich zu belohnen. „Wir Menschen lernen ähnlich wie die Tiere – über Belohnung.“ Das könne, zum Beispiel das Bad nach dem Sport sein.