Hamburg. Bei den Krawallen nach der Demonstration für den Erhalt des linken Kulturzentrums “Rote Flora“ in Hamburg sind 120 Polizisten verletzt worden, 21 davon schwer. Das teilte die Polizei am Sonntag mit. Nach Angaben linker Organisationen sind 500 Demonstranten verletzt worden, 20 davon schwer.
Nach den schwersten Krawallen seit Jahren hat sich die Lage in Hamburg in der Nacht zum Sonntag entspannt. "Die Lage hat sich jetzt beruhigt", sagte Polizeisprecher Mirko Streiber. Zuvor war es zu stundenlangen Auseinandersetzungen gekommen, die sich bei einer Kundgebung für den Erhalt des linken Kulturzentrums "Rote Flora" entzündet hatten. Im Schanzenviertel und auf St. Pauli gerieten Einsatzkräfte und Demonstranten immer wieder aneinander. 120 Polizisten wurden verletzt - 19 von ihnen so schwer, dass sie nach Angaben eines Polizeisprechers im Krankenhaus behandelt werden mussten. 21 Krawallmacher wurden festgenommen.
Nach Angaben linker Organisationen rund 500 Demonstranten verletzt worden. 20 Demonstranten seien schwer verletzt worden, berichtete ein Sprecher des "Ermittlungsausschusses", einer Organisation, die sich bei Demonstrationen im linken Spektrum um Festgenommene kümmert, unter Berufung auf Angaben von Sanitätern. Der Sprecher warf der Polizei zugleich vor, sie habe Anwälte nicht zu festgenommen Mandanten und verletzten Demonstranten in Krankenhäusern vorgelassen.
Feuerwehr berichtet von 66 Rettungseinsätzen
Feuerwehr und Polizei konnten keine konkreten Angaben über die Zahl der verletzten Demonstranten und unbeteiligten Passanten machen. Die Feuerwehr berichtete von 66 Rettungseinsätzen sowohl für verletzte Polizisten als auch für Demonstranten. Das werde nicht getrennt erfasst. Nicht alle Verletzten seien zudem ins Krankenhaus gekommen, sagte ein Feuerwehrsprecher.
Die Lage eskalierte kurz nach Beginn der Demonstration am Samstagnachmittag. Noch vor der "Roten Flora" warfen Randalierer aus dem sogenannten Schwarzen Block Böller und Gegenstände in Richtung der Polizisten. Diese reagierten mit dem Einsatz von Wasserwerfern sowie Schlagstöcken und drängten den Demonstrationszug zurück.
Wegen der Krawalle löste die Polizei die Demonstration rasch auf. "Es hat von Anfang an eine aggressive Grundstimmung geherrscht, wir sind massiv angegriffen worden", begründete Polizeisprecher Streiber den Schritt. "Das ist derart gewalttätig gewesen, das haben wir lange so nicht erlebt."
Organisatoren der Demonstration kritisieren Polizei
Die Organisatoren der Demonstration kritisierten einen "massiven Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern". Sie warfen der Polizei vor, den Protestzug von Anfang an bewusst gestoppt zu haben. Dies stelle den skandalösen Versuch dar, die politische Auseinandersetzung um die "Rote Flora", die "Esso-Häuser" und das Bleiberecht von Flüchtlingen hinter Rauchschwaden und Wasserwerfern unsichtbar zu machen, hieß es in einer Erklärung.
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Nach Auflösung der Demonstration zogen die Randalierer in Gruppen in Richtung der gesperrten Reeperbahn und lieferten sich ein stundenlanges "Katz-und-Maus-Spiel" mit der Polizei. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen. Unter anderem wurden bei einem SPD-Büro die Scheiben eingeworfen und zwei Polizeiautos beschädigt. Auch der Nah- und Fernverkehr war beeinträchtigt: Fernzüge endeten am Hamburger Hauptbahnhof oder wurden nach Harburg umgeleitet, eine S-Bahn-Strecke war teilweise gesperrt.
7300 Demonstranten trafen auf mehr als 3000 Polizisten
Die Polizei zählte 120 verletzte Beamte, 19 kamen ins Krankenhaus. Ein Polizist aus Niedersachsen wurde durch einen Steinwurf so schwer verletzt, dass er bewusstlos in eine Klinik gebracht wurde. Auf der Gegenseite wurden nach Angaben der Organisatoren zahlreiche Demonstranten verletzt.
Insgesamt waren am Samstag nach Polizeiangaben 7300 Demonstranten ins Schanzenviertel gekommen, darunter 4500 aus dem linksextremistischen Spektrum - viele davon gewaltbereit. Die Veranstalter sprachen von mehr als 10.000 Teilnehmern. Die Polizei, die mit einem Großaufgebot von 3168 Beamten aus mehreren Bundesländern im Einsatz war, nahm insgesamt 19 Menschen vorläufig fest. Weitere 300 Demonstranten wurden in Gewahrsam genommen.
Der Protest richtete sich gegen eine Räumung des seit mehr als 20 Jahren besetzten Kulturzentrums "Rote Flora", wie sie der Eigentümer Klausmartin Kretschmer angedroht hat. Außerdem ging es um das Bleiberecht für Flüchtlinge und die "Esso-Häuser" an der Reeperbahn. Die Häuser waren am vergangenen Wochenende wegen Einsturzgefahr evakuiert worden. Alle Bürgerschaftsfraktionen hatten zuvor parteiübergreifend zu einem friedlichen Protest aufgerufen.
Hamburger Grüne beantragen nach Krawallen Sondersitzung
Die Grünen-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft hat nach den Krawallen im Schanzenviertel eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Das teilte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Antje Möller, am Sonntag mit. In der Sitzung soll es darum gehen, warum die Demonstration schon zu Beginn von der Polizei gestoppt wurde und warum weitere Kundgebungen verboten worden seien. Möller sprach von einem Samstag "voller Gewalt und Eskalation auf der einen Seite und ausgehebeltem Demonstrationsrecht für tausende, die friedlich demonstrieren wollten". (dpa/afp)