Moskau. . Die skurrile Vorbereitung Russlands auf die olympischen Winterspiele 2014 ist um eine Episode reicher. Nachdem die Fackel schon in abgelegenste Regionen und ins Weltall gebracht wurde, erregt nun die Moskauer U-Bahn Aufsehen: Wer sich dort sportlich gibt, darf gratis fahren. Eine umstrittene Aktion.

Sotschi wirft seine Schatten voraus. Keine drei Monate vor dem Beginn der Winterspiele bietet die Moskauer U-Bahn ihren Fahrgästen neue sportliche Perspektiven. Gemeinsam mit dem Nationalen Olympischen Komitee stellte sie den ersten Zahlautomaten der Welt auf, an dem man sein Ticket mit Leibesübungen erwerben kann.

Statt 30 Rubel (knapp 70 Cent) einzuwerfen, muss man vor einem Sichtfenster mit automatischer Kamera 30 Kniebeugen absolvieren, damit der Apparat einen Einzelfahrschein herausgibt. „Eine Geste der Gesundheit, die jeder Passagier vor der Olympiade in Sotschi zeigen kann“, sagt Jekaterina Beljajewa, die Pressesprecherin der Moskauer Metro. Die Kniebeugen-Tickets gehören zum Projekt „Olympische Veränderungen“, das den Alltag der Russen durch neue sportliche Elemente bereichern soll.

Kunstturn-Olympiasiegerin Jelena Samolodtschikowa weihte die unterirdische Trimm-Dich-Station am 8. November ein, danach standen vor allem Mädchen und junge Frauen Schlange, um sich in maximal zwei Minuten für Tickets zu trimmen. Auch die Partylöwin und Ex-Bolschoi-Ballerina Anastasija Wolotschkowa tauchte auf, legte vor laufenden Kameras 30 saubere Grand Plie hin, verschwand danach freilich nicht in der U-Bahn, sondern im eigenem Lexus.

Das Radio wittert eine Demütigung der Armen

Der kritische Radiosender Echo Moskwy aber veranstaltete eine Zuhörerdebatte, ob 30 Kniebeugen für ein U-Bahnticket keine menschenrechtswidrige Demütigung darstellten. Vor allem für arme Moskauer, die aus Sparsamkeit öffentlich in die Hocke gehen müssten.

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Doch die vorolympische Idee, in Moskaus Metro Fahrscheine gegen Kniebeugen auszugeben, wird die Fitness der russischen Hauptstädter nicht nachhaltig steigern: Denn es wurde nur ein einziger „olympischer“ Zahlautomat aufgestellt, und zwar in der Station Wystawotschnaja. Die liegt unweit des Viertels Moskwa-City und wird von vergleichsweise wenigen Fahrgästen frequentiert, meist betuchten Yuppies, die den Apparat ignorieren.

Zudem soll der Automat am 4. Dezember schon wieder abgebaut werden. Dann bleibt sparsamen Moskauern, die kein Geld fürs U-Bahn-Ticket übrig haben, nur eine altbewährte Disziplin: mit einer Flanke über die Drehkreuze an den U-Bahn-Eingängen zu springen.