New York. . Mit einer sensationellen Radio-Reportage über einen Angriff von Marsianern auf die Erde beginnt die Karriere von Orson Welles. Der fiktive „Krieg der Welten“ führt zu echter Panik in den USA - an diesem Mittwoch vor 75 Jahren. Endgültig zur Legende wird der Regisseur in Hollywood.

30. Oktober 1938. Ein frischer Wind fegt an diesem Sonntagabend über die Ostküste der USA. Draußen regnet es. Da machen es sich die Menschen lieber drinnen vor dem Radio gemütlich. CBS bringt Tanzmusik. Ramón Raquellos Orchester spielt aus dem New Yorker Park Plaza Hotel mit Swing und Tango zum Tanz auf. Hotel und Orchester gibt es gar nicht. Aber das ist in den nächsten Stunden noch das kleinste Problem. Denn heute vor 75 Jahren löst ein junger Mann namens Orson Welles den Krieg der Welten aus.

Er beginnt kurz nach 20 Uhr mit einer Sondermeldung, die von „Explosionen auf dem Mars“ spricht und davon, dass „irgendetwas“ auf die Erde zurase. Aber der Mars sei ja 40 Millionen Meilen entfernt. Deshalb erst mal „weiter mit Musik“. „Wird schon nicht so schlimm sein.“

Welles' Inszenierung wirkt so echt, dass Menschen Angst bekommen

Ist es dann aber doch. Spätestens als weitere Eilmeldungen kurz darauf von einem „riesigen flammenden Objekt“ berichten, das bei ei­ner Farm in Grover’s Mill, New Jersey, abgestürzt ist, horchen die Leute vor dem Radio auf. Und hören einen immer aufgeregteren Reporter, der von Furcht erregenden Marsmenschen mit giftigen Gas- und Flammenwaffen erzählt, von stählernen Kampfmaschinen und schweren Schlachten mit der US-Army, die mit schwerem Gerät angerückt ist aber stets verliert. Erst in Grovers’s Mill, später im ganzen Land, aus dem sich eine Stunde lang immer neue Korrespondenten mit immer neuen Schreckensnachrichten melden. Der Mars macht mobil. Und viele Zuhörer vergessen, dass sie gerade nur einem Hörspiel lauschen.

Die großen US-Zeitungen berichten jedenfalls am nächsten Tag von einer „Massenhysterie“. Verängstigte Bürger hätten Schränke vor die Türen geschoben oder gleich ein paar Habseligkeiten zusammengepackt und Zuflucht in Kirchen oder Polizeistationen gesucht. Und in ländlichen Gegenden seien stählerne Wassertürme beschossen worden – in der Annahme, es handele sich um feindliche Raumschiffe.

Ganz so schlimm war es in Wirklichkeit wohl nicht, vieles wurde wohl aufgebauscht, um den neuen Konkurrenten „Radio“ in schlechtes Licht zu rücken. CBS selbst berichtet jedenfalls nur „von einer leicht erhöhten Zahl besorgter Anrufer“ und auch in den Polizeiberichten der größeren Städte ist von „Panik“ keine Rede. Aber das Hörspiel ist das Gesprächsthema im ganzen Land – ganz so, wie sein Macher Orson Welles es sich insgeheim erhofft hatte.

Freifahrtschein nach Hollywood – 24-Jähriger darf machen, was er will

24 Jahre alt ist er damals und einer der ersten, der die Möglichkeiten des zu jener Zeit noch jungen Mediums Radio wirklich nutzt. Er macht Schauspieler zu Reportern oder Wissenschaftlern, arbeitet mit Klangeffekten oder Geräuschkulissen und lässt Mitarbeiter seines Teams voller Angst in die Studio-Mikros schreien. So raffiniert ist der Spannungsbogen, so realistisch die Inszenierung, dass selbst 40 Jahre später, als der Westdeutsche Rundfunk die Show im Original noch einmal sendet und übersetzen lässt, viele besorgte Menschen beim Sender anrufen.

Für Welles ist der „Krieg der Welten“ der Durchbruch und sein Ticket nach Hollywood, wo man so begeistert von ihm ist, dass er als erster Regisseur einen Freifahrtschein erhält. Er darf drehen, was er will, mit wem er will. Er dreht „Citizen Kane“ – von den Kritikern schnell geliebt, vom Publikum lange verschmäht.

Die Menschen behalten ihn als Radioregisseur in Erinnerung. Gut zwei Jahre später hat das Folgen. Als die Radios in den USA im Dezember 1941 einen japanischen An­griff auf Pearl Harbor melden, winken viele Hörer vor ihren Geräten ab. „Wahrscheinlich wieder dieser Orson Welles.“