Essen. Es ist nicht die Krone der Skandinavien-Krimis: „Nordlicht“ jagt Irre in Dänemark. Die neue Serie, die Arte bis Mitte November freitagabends zeigt, ist nicht so gut wie einst Martin Beck oder Kurt Wallander. Dennoch ist sie besser als viele andere Krimis, die uns im TV dargeboten werden.

Es gab eine Zeit im deutschen Fernsehen, da hatte jedes Krimi-Format nördlich von Südschleswig bei den meisten Zuschauern einen Freibrief. Wir waren ja zu Recht dankbar. Denn sie konnten es, diese Schweden vor allem. Während uns deutsche Sokos an den piefigen Rand langweiliger Verzweiflung trieben, und ihre hässlichen Brüder (so genannte Schmunzelkrimis, zu Unrecht leider) fettsüchtige Niederbayern als schnaufende Sherlocks verkauften, war der Norden echt stark.

Es kamen von dort schön kaputte Typen wie Martin Beck und Kurt Wallander. Und erst diese völlig beratungsresistente Sarah Lund, die Fernsehdeutschland zehn (!) Folgen zu 100 (!) Minuten mit je einer Woche (!) Pause in Atem hielt. Aber es ist, wie es immer ist, wenn sich etwas gut verkauft. Man macht mehr. Dann noch mehr. Und plötzlich wird es einem einfach zu viel, was ja selbst bei den leckersten Törtchen vorkommen soll.

Ein Klangteppisch, der den Puls ins Stolpern bringt

So ist man unentschlossen, ob man berechtigt enttäuscht oder undankbar, weil maßlos überfressen ist, wenn man „Nordlicht – Mörder ohne Reue“ (Arte, bis 15. November, freitags, 21.45 Uhr) allenfalls mit gutem Willen in der zweiten Liga der Gattung spielen sieht.

Denn die ästhetischen Zutaten sind nicht nur zuverlässig, sie sind gut. Wann wird im deutschen Fernsehen serienmäßig so fotografiert wie hier: leicht körnig, dokumentarisch bisweilen oder – wenn ein Massengrab im Wald sich zeigt – mit dem feinen Pinsel nachtschwarzer Romantik. Dazu wird jener kunstvoll-löchrig gewebte Klangteppich ausgerollt, mit dem Komponist Frans Bak unseren Puls schon bei „Kommissarin Lund“ ins Stolpern brachte.

Einsame Polizeiwölfin trifft autistischen Profiler mit Sprung in der Schüssel

Doch dann kommen die Einwände. Einerseits, weil ein kleines Land wie Dänemark vielleicht nicht gleich ein ganzes Folgenheer auf lauter Serienmörder aufbauen sollte; die meisten in Kopenhagen haben ja doch ganz normale Hobbys. Andererseits, weil die Kombi „einsame Polizeiwölfin trifft autistischen Profiler mit Sprung in der Schüssel“ seit Tony Hill schlicht eine ziemlich hohe Latte darstellt.

Tatsächlich bleiben Laura Bach (als Kommissarin Katrine) und Jacob Cedergren (als Psychologe Thomas) darunter. Gewiss strecken sie sich nach der Decke, so gut es das oft recht schematische Drehbuch zulässt. Aber auch zwei schöne Schauspieler machen aus einem Leichenberg (es geht recht brutal her) noch nicht den Everest der Krimi-Unterhaltung.

Was Drehbuchautoren bliebe, wäre ein anderer Blick - aber der fehlt

Apropos Leichen. Auch das mag der Vielzahl an Fällen, Kommissaren, Opfern geschuldet sein, die dieser Boom hervorgebracht hat: Selbst wenn man die Nordlicht-Fälle noch nie gesehen hat (2011 gab es sie in ZDF und ZDF Neo), kommen einem die Scheusale schrecklich bekannt vor. Irgendwann ist eben jede Schrulle, die dazu führt, dass man seinen Nachbarn lieber tot als lebendig sieht, auserzählt.

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Was Drehbuchautoren bliebe, wäre ein anderer Blick. Doch gerade den vermisst man bei den „Mördern ohne Reue“ und erst recht bei ihren Jägern schmerzlich. Da türmt einer Fachliteratur auf, fühlt sich bis zur Schmerzgrenze in einen Irren ein – doch bis zur Festnahme erfahren wir im Pilotfilm „Machtspiel“ nicht ein bisschen davon, was dieses Monster einst zu dem gemacht hat, was es heute ist.

Gleichwohl: Es gibt viel Schwächeres als diese Reihe. Um ein Wochenende makaber und optisch nicht ohne Niveau einzuläuten, tut sie zweifellos brave Dienste.