Doha. . Damit das Spektakel in Katar 2022 stattfinden kann, müssen Arbeiter unter Extrembedingungen schuften: Hunderttausende sind unterernährt, viele sterben. Angesichts der internationalen Empörung soll die Zahl der Arbeitskontrolleure verdoppelt werden.

Zehn Kilometer vor den Toren von Katars Hauptstadt Doha wird eine neue Stadt aus dem Wüstenboden gestampft. Lusail City soll die glamouröse Metropole einmal heißen, geplant als Drehscheibe für die Fußballweltmeisterschaft 2022 – das erste globale Fußballspektakel auf arabischem Boden. Hier soll die gigantische 90 000-Zuschauer-Arena für das Endspiel errichtet werden, hier entstehen die meisten der 29 neuen Hotels, um die angereisten Fans zu beherbergen. Gleichzeitig will Katars Emirfamilie die gesamte Infrastruktur ihres superreichen Ministaats umkrempeln und modernisieren. Über 100 Kilometer Metro sind geplant, eine Autobahnbrücke nach Bahrain, dazu ein komplett neues Schienennetz für ihre Halbinsel im Persischen Golf. Der neue Flughafen ist bereits fast fertig - mindestens 100 Milliarden Dollar will Katar in den nächsten acht Jahren noch investieren.

Die dürstere Rückseite des Baubooms rückt ins Rampenlicht

So kühn und phantastisch, so superreich und glitzernd, seit den Vorwürfen von Sklavenarbeit auf Katars Großbaustellen gerät nun erstmals auch die düstere Rückseite des Baubooms ins globale Rampenlicht – das Schicksal der Millionen Migrantenarbeiter aus Indien, Pakistan, Sri Lanka, Bangladesch und Nepal in der Golfregion.

Nicht nur in Doha, auch in Dubai, Abu Dhabi, Riyadh und Kuwait City schuften hunderttausende indischer und asiatischer Arbeitskräfte auf spektakulären Megabaustellen, schlecht bezahlt und schlecht ernährt, untergebracht in überfüllten, schäbigen Massenbaracken vor den Toren der Städte. Allein in Katar sterben jedes Jahr rund 200 Arbeiter aus Nepal, auffallend viele an Herzversagen nach extrem langen Schichten in der Gluthitze oder durch schwere Arbeitsunfälle. Bei den Beschäftigten aus Indien, Bangladesch und Sri Lanka liegen die Zahlen ähnlich hoch.

Und dennoch machen sich jedes Jahr Hunderttausende junger Männer und Frauen auf die Hoffnungsreise in den Mittleren Osten. Zwölf Millionen leben mittlerweile in den sechs Golfstaaten, allein in Katar kommen auf die 250 000 Einheimischen 1,2 Millionen Arbeitsmigranten. Angelockt von windigen Maklern, die sich ihre Dienste teuer bezahlen lassen, suchen sie Arbeit, bessere Löhne und einen Ausweg aus der Misere daheim. Die wenigsten ahnen, was sie in der arabischen Welt erwartet.

Den meisten wird bei der Ankunft der Pass abgenommen

Jeder Neuankömmling braucht einen einheimischen Sponsor, der nach dem dubiosen Kafala-System allmächtig ist. Den meisten wird bei der Ankunft ihr Pass abgenommen, sie sind jeder Willkür völlig ausgeliefert. Wer widerspricht, vorenthaltenen Lohn nachfordert oder gar streikt, fliegt raus und muss die Heimreise antreten. Auch Kündigung und Flucht aus dem Gastland sind praktisch unmöglich – für das Ausreisevisum ist die Unterschrift des Sponsors nötig.

Und so prangern Menschenrechtsorganisationen die Zustände an als moderne Sklaverei, Ausbeutung und Zwangsarbeit, ein Vorwurf, den diese Woche der Vorsitzende des qatarischen Nationalkomitees für Menschenrechte, Ali Al-Marri, energisch bestritt, auch wenn er „einige Probleme“ einräumte.

Arbeitsminister Saleh al-Khulaifi versprach angesichts der internationalen Empörung, sein Land werde die Zahl der Arbeitskontrolleure von 150 auf 300 verdoppeln, eine Ankündigung, die Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes, als „schwach und enttäuschend“ kritisierte.

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„Diese Inspektoren haben schon jetzt keinerlei Effekt“, kritisierte sie und forderte ein „sehr deutliches Signal“ des Weltfußballverbands an die Adresse des Emirates. „Die Fifa darf nicht erlauben, dass die WM 2022 errichtet wird auf dem Fundament von moderner Sklaverei – in Katar aber ist das die Realität von hunderttausenden Arbeitsmigranten“.