Zürich. Nach den Schreckensmeldungen über die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar zeigen die Oberen des Wüstenstaats erste Reaktionen. Besserung wird gelobt, kurzfristige Hilfe dürfen die leidgeprüften Gastarbeiter aber anscheinend nicht erwarten - auch weil ein WM-Entzug für die Fifa keine Option ist.

Rund eine Woche nach den erschreckenden Enthüllungen über zahlreiche Todesfälle bei den Arbeiten auf den WM-Baustätten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar geloben die Oberen des Wüstenstaates Besserung. Sie gehen die üblichen Schritte der Politik - schnelle Hilfe dürfen sich die zu Hunderten wie Sklaven behandelten Gastarbeiter deshalb kaum erhoffen - denn ernste Konsequenzen muss der Gastgeber nicht fürchten.

"Wir waren und sind absolut davon überzeugt, dass uns niemand die Weltmeisterschaft wegnimmt", sagte Hassan Al Thawadi, Generalsekretär des WM-Organisationskomitees in Zürich, wo bis Freitag das Exekutivkomitee des Weltverbandes Fifa tagt: "Haben wir jemals Angst um die WM gehabt? Nein, weil wir in unserer Situation sehr zuversichtlich sind."

WM-Entzug keine Option

Das können sie auch sein, denn ein WM-Entzug kommt für die Fifa ohnehin nicht infrage. "Es gibt keine Zweifel, dass in Katar gespielt wird. Die Frage ist nur, ob die WM im Winter stattfindet, und wenn ja, ob im November, Dezember oder Januar gespielt wird", sagte Fifa-Pressesprecher Walter de Gregorio dem englischen TV-Sender Sky Sport News.

Am Mittwoch beauftragte die Führungsspitze des Emirats die unabhängige Anwaltskanzlei DLA Piper mit der Aufarbeitung der Schreckensmeldungen der englischen Tageszeitung Guardian, die von 44 toten nepalesischen Gastarbeitern auf den WM-Baustellen allein vom 4. Juni bis zum 8. August berichtet hatte. Eine erste Delegation der multinationalen Sozietät wird am Montag in Katar erwartet. Antworten gibt es, "wenn der Bericht fertig ist", sagte ein Regierungsberater

Wie entsetzlich und unmenschlich die Arbeitsbedingungen am Persischen Golf tatsächlich sind, beschreiben immer neue Augenzeugenberichte. "Die Baufirma hat uns keine Helme gegeben, von Sicherheitswesten ganz zu schweigen. Um Schuhe musste wir kämpfen", sagte ein nepalesischer Gastarbeiter der Nachrichtenagentur AFP: "Es hab kein sauberes Trinkwasser. Aber wenn man davon krank wurde, gab es keinerlei medizinische Hilfe. Wohin sollten wir dann gehen?" Zudem habe die Obrigkeit die Reisepässe einkassiert. "Ich hatte Angst, ins Gefängnis zu müssen", sagte der Arbeiter.

"Diese WM wird nicht auf dem Blut Unschuldiger aufgebaut"

Über solche Berichte "wäre jeder entsetzt", sagte Thawadi, der immer wieder betonte, dass die Regierung daran arbeite und Katar eine enge Zusammenarbeit mit den Menschenrechtsorganisationen pflege: "Wenn es so weit kommt, dass Menschen sterben, ist es immer eine humanitäre Angelegenheit. Ist das akzeptabel? Nein, natürlich nicht. Das hat die Regierung deutlich gemacht." In der BBC schob er hinterher: "Diese WM wird nicht auf dem Blut Unschuldiger aufgebaut." Das OK wolle die "Sicherheit, den Schutz und die Ehre von jedem sicherstellen", sagte Thawadi: "Und wir arbeiten an dieser Verpflichtung, wir werden diese sicherstellen und ihr immer die höchste Dringlichkeitsstufe einräumen."

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Die unmittelbare Reaktion aus Katar nach dem Guardian-Bericht hatte zu großer Kritik geführt. Der auch im westlichen Europa viel zu oft einsetzende Reflex, zunächst noch mehr Inspektoren noch mehr Untersuchungen durchführen zu lassen, sei "schwach und enttäuschend", teilte der Internationale Gewerkschaftsbund IGB mit. "Inspektoren gibt es genug, die haben aber keinen Einfluss", sagte IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow: "Was nötig ist, sind neue Gesetzte zum Schutz der Arbeiter." Dem pflichtete auch Amnesty International bei.

"Die WM kann unsere Entwicklung positiv beschleunigen"

Thawadi bekräftigte, dass gerade die Vorbereitung auf die WM zur Besserung der Situation beitrage. "Die WM kann unsere Entwicklung positiv beschleunigen", sagte er: "Bei jedem Großereignis ist die Gesellschaft involviert, und alles kann passieren." Weiterhin im Raum steht aber die Aussage des Vorsitzenden des Nationalkomitees für Menschenrechte, Ali Al-Marri. "Es gibt keine Sklaverei oder Zwangsarbeit in Katar. Die Informationen des Guardian sind falsch und die Zahlen übertrieben", sagte er.

Der voraussichtlichen Verlegung des Turniers in den Winter sieht das WM-OK indes völlig gelassen entgegen. Der Generalsekretär betonte aber erneut, sich für eine Sommer-WM beworben und dafür auch den Zuschlag bekommen zu haben. "Wir bleiben auf unserem Weg", sagte Thawadi. Eine Verlegung habe keinerlei Auswirkung auf die Pläne. "Das ist das Großartige: Egal, welche Entscheidung gefällt wird, wir machen weiter. Es gibt kein Zeitlimit." Die vor allem in Europa heiß diskutierte Terminfrage - Fifa-Präsident Joseph S. Blatter will im November/Dezember 2022 spielen, Uefa-Chef Michel Platini im Januar/Februar 2022 - spielt in Katar keine Rolle. (sid)