Essen. Fehler und Versäumnisse bei der Steuererklärung werden von den Finanzbehörden nur schwer verziehen. Das musste auch Fotograf Bernd L. erfahren. Die Finanzbeamten in NRW sehen jedoch keinen Spielraum. Das verwundert Experten.
Bernd L. (Name der Redaktion bekannt) ist freier Fotograf. Wie Unternehmen muss er deshalb jedes Jahr eine kleine Bilanz vorlegen und eine Steuererklärung abgeben. Doch der 46-Jährige kam dieser Pflicht zu spät nach. Erst 2010 gab er die ausgefüllten Formulare für mehrere Jahre ab. „Das war ein Fehler“, gibt er rückblickend zu. Danach beauftragte er eine Steuerberaterin mit den Formalitäten. Aber auch bei den fälligen Zahlungen lief es nicht reibungslos. „Ich habe bezahlt, wenn ich zahlen konnte“, sagt er, das heißt, nicht immer pünktlich.
Für die Nachlässigkeiten muss der Fotograf schwer büßen. Denn Anfang 2013 trudelte bei L. wieder ein Steuerbescheid ein. Für das Jahr 2011 sollte er 5500 Euro nachzahlen, dazu kamen noch Vorauszahlungen für die Folgejahre. Insgesamt forderte das Finanzamt über 13 000 Euro, die der Freiberufler nicht aufbringen konnte. Damit beginnt ein kleines Drama.
Konto gepfändet
Denn den Antrag auf Stundung und eine Ratenzahlung von 1000 bis 1500 Euro monatlich wegen geringer Umsätze und fehlender Kreditmöglichkeiten lehnte das Amt ab. „Eine Aufstellung der durchschnittlichen monatlichen Einnahmen und Ausgaben oder ein Verzeichnis des Vermögens lag der Begründung nicht bei“, stellt das Landesfinanzministerium fest. Ohne die Offenlegung aller Verhältnisse habe die Sachbearbeiterin den Antrag ablehnen müssen. In diesen Fällen greift der Fiskus häufig hart durch. Auch bei Bernd L. Ohne vorherige Ankündigung pfändete das Finanzamt sein Konto und sicherte sich auch direkt bei seinem wichtigsten Auftraggeber den Zugriff auf alle Honorare. „Ich habe gar nichts bekommen, keine Mahnung, keine Vollstreckungsankündigung“, ärgert er sich. Auch seine Steuerberaterin konnte nun nicht mehr helfen.
Eine Pfändung hat gravierende Folgen. Es gibt am Automaten kein Bargeld mehr, einen Kredit von der Bank erst recht nicht. Auch die Honorare landen nicht mehr auf dem eigenen Konto, sondern auf dem des Finanzamts. Natürlich werden auch keine Lastschriften wie für die Mietzahlung oder den Mobilfunkanbieter mehr abgebucht. „Es ist wie eine Entmündigung“, erinnert sich ein anderer Betroffener, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will.
Hoffnung auf eine Einigung
„Ich laufe in die Privatinsolvenz“, sagt L., „dabei habe ich volle Auftragsbücher.“ Ohne die Hilfe von Freunden wäre dies längst der Fall. Denn der Fotograf hat bei seiner Bank nun zwar ein pfändungsfreies Konto. Da seine Einnahmen aber schon beim Auftraggeber abgefangen werden, kommt darauf kein Geld mehr an.
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Mittlerweile hat das Amt die Forderungen zwar verringert. Aber L. lebt weiter von der Hand in den Mund und hofft immer noch auf eine Einigung mit dem Fiskus. Doch dazu ist das Amt nicht bereit. „Die Pfändungen können nach vorliegendem Sachverhalt lediglich aufgehoben werden, wenn Herr L. die rückständigen Steuern in voller Höhe begleicht“, bleibt das Finanzministerium hart.
Den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Alexander Fuchs verwundert die Haltung: „Die Kontopfändung ist ein weitgehender Eingriff.“ Eine Existenz könne deshalb zusammenbrechen. In seiner Praxis erreicht er fast immer eine Einigung zwischen Klient und Behörde, bei der am Ende eine Vereinbarung über Ratenzahlungen steht. Doch die Behörden in Nordrhein-Westfalen sehen diesen Spielraum nicht. Dabei beruft sich das Ministerium auf den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung. Durch die Abgabenordnung sei das Amt „verpflichtet, nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen im Zwangsvollstreckungsverfahren durchzusetzen.“ In Kiel indes wurde jetzt ein Fall bekannt, in dem die Oberbürgermeisterin einem Unternehmer 3,7 Millionen Euro Zinsen auf nicht bezahlte Steuern schlicht erlassen hatte.