Shanksville. . Knapp 3000 Menschen starben am 11. September 2001 beim Terror-Anschlag auf das World Trade Center in New York. 40 starben, als eine United-Airlines-Maschine bei Shanksville abstürzte: In dem winzigen Dorf ist die vielleicht beeindruckendste Gedenkstätte der Terror-Anschläge entstanden.

Wenn Amerika seinen am 11. September 2001 geborenen Helden-Mythos feiert, schaut die Welt auf Manhattans Südspitze. Wo künstliche Wasserfälle in die leeren Fundamente des World Trade Center rauschen und die Mahnmal-Industrie auf Hochtouren läuft. Auch das Pentagon in Arlington vor den Toren Washingtons hat sich in das nationale Gedächtnis eingebrannt. Dort leuchten nachts 184 Bänke mit den Namen der Opfer. In der sanft hügeligen Ackerlandschaft von Somerset County, 250 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, leuchtet nichts.

Hier, im knapp 240 Einwohner zählenden Shanksville in Pennsylvania, raste heute vor zwölf Jahren morgens um kurz nach zehn United Airlines-Flug 93 mit 925 Stundenkilometern im 45-Grad-Winkel in den Boden. An Bord 40 Menschen. Zwei Piloten, fünf Stewardessen, 33 Passagiere. Von denen etliche in der sicheren Erwartung ihres Todes die Terror-Entführer um den an der Ruhr-Universität in Bochum ausgebildeten Ziad Jarrah angriffen. Um so die laut Bordcomputer mit Kurs auf Washington fliegende Passagiermaschine zum Absturz zu bringen. Bevor eine vierte Katastrophe geschehen konnte.

Abseits der großen Medienscheinwerfer, die nur selten das winzige Dorf 80 Kilometer vor Pittsburgh ausleuchten, ist in Shanksville die vielleicht beein­druc­kendste Gedenkstätte der Terror-Anschläge entstanden, die Amerika bis heute paralysieren.

Erhabene Stille lädt zum Innehalten und Nachdenken ein

Während den Besucher an New Yorks „Ground Zero“ patriotische Exzesse, pompöse Bauwerke und ein Fahnenmeer erwartet, lädt, wie Jim Mason, ein Kriegs-Veteran aus Richmond, es vor einigen Wochen im Gespräch mit Reportern formulierte, „hier zu jeder Jahreszeit erhabene Stille zum Innehalten und Nachdenken ein“. Alphonse Mascherino, ein katholischer Priester, der in der Nähe seit vielen Jahren ein kleines Gotteshaus aus Holz unterhält, hat einmal sehr passend von einem „Feld der Heilung“ gesprochen.

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Wer vor der Schnellstraße kommt und den Parkplatz verlässt, stößt auf eine Ansammlung von Informations-Tafeln, die mit Grafiken, Karten und schlichten Fotos unaufgeregt und eindringlich das Drama von damals nacherzählen. So wird man an die verschüttete Tatsache erinnert, dass unter den Opfern ein Deutscher war. Christian Adams aus Biebelsheim in Rheinland-Pfalz. Der frühere Chef des Auslandsmarketings beim Deutschen Weininstitut hatte in Kalifornien Management studiert. Wie für alle Passagiere endete der von Newark nach San Francisco geplante Flug für den 37-Jährigen jäh über Shanksville.

In schwarzem Granit eingefasster Denkmalweg

In die Kargheit der Landschaft, in der Bauern-Scheunen die einzige Attraktion sind, hat der aus Los Angeles stammende Architekt Paul Murdoch einen in schwarzem Granit eingefassten Denkmalweg gesetzt. Der Grundriss empfindet die Flugkurve nach, die die Maschine vom Typ Boeing 757 bis zum Aufprall nahm. Ein Aufprall, den niemand sah. Es gibt keine Fotos, keine Filme, keine Augenzeugen.

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In den Nischen der Mauer, die den Schauplatz des Crashs markiert, liegen Talismänner, Spruchbänder, Blumen, Fotos, Münzen und Baseball-Kappen. Hinterlassen von den 150.000 Besuchern, die jedes Jahr den Weg hierhin finden. Nicht zu vergessen M & Ms. Schokoladenerdnüsse, die einer der „Helden“ an Bord so geliebt hat. Todd Beamer war der Mann, der all seinen Mut zusammennahm und den anderen Passagieren das Zeichen zum Kampf gab: „Seid ihr bereit? Okay, let‘s roll.“

Nach knapp 400 Metern Trauerweg steht der Besucher vor einer Wand aus 40 weißen Marmor-Stelen. Für jedes Opfer eine. Kein Firlefanz, keine Sinnsprüche. Nur der Name. „Ich komme oft hierhin“, sagt Jim Mason, „ich stelle mir vor, was diese Menschen in den letzten Augenblicken ihres Lebens gedacht haben. Unglaublich.“

40 Millionen Dollar in Kleinarbeit gesammelt

In Shanksville hatten die Befürworter einer Gedenkstätte, die nach langem Ringen erst 2011 offiziell eingeweiht wurde, gegen mächtige Faktoren zu kämpfen. Keine Familien-Angehörigen von Opfern in der Nähe. Geschweige denn finanzkräftige Firmen, die wie in New York die Scheckbücher zückten, um imposant des Schreckens zu gedenken. In Kleinarbeit wurde das Geld zusammengetragen, um den Erinnerungsort unter der Regie der „National Park Verwaltung“ zu entwic­keln.

Nicht genug, fanden manche und warben weiter. Für ein repräsentatives Besucher- und Studienzentrum hier oben in den Laurel Highlands. Inzwischen sind 40 Millionen Dollar durch 110.000 Spender zusammengekommen. Der Grundstein liegt seit Dienstag. Gordon Felt, Präsident der Vereinigung der „Familien von Flug 93“, sehnt die für 2015 geplante Eröffnung herbei. „Dann sind wir komplett.“ Und Shanksville leuchtet für immer.