Washington/New York. . Es war ein schwieriges und emotionales Gedenken. Am Sonntag haben Amerikaner den zehnten Jahrestag des 11. September mit Feierstunden in New York, Washington und Pennsylvania begangen.
Wehmütig vermischt sich der Klang von Yo-Yo-Ma’s Cello unter das Rauschen des Wassers, das die Wände des Denkmals für die Opfer des 11. Septembers herunterströmt. Ruth Aaron Greene sammelt sich hinter dem Mikrofon, bevor sie sichtlich bewegt den ersten Namen ausspricht. „Gordon M. Aamoth Jr.“, beginnt sie die Liste der 2983 Opfer vorzutragen, die in New York, im Pentagon und auf einem Feld vor Shanksville im US-Bundesstaat Pennsylvania vor zehn Jahren ihr Leben verloren. Darunter ihr jungvermählter Sohn Josh Aaron (29), der ganz oben im Nordturm des World Trade Centers als Händler bei Cantor Fitzgerald arbeitete.
Von Josh blieb so wenig übrig wie von den meisten anderen Opfern, die unter den Trümmern der Zwillingstürme begraben wurden. Oft nicht mehr als die Erinnerung und das Wissen der Angehörigen, das ihre Lieben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Viele haben Fotos der Opfer mitgebracht, deren Namen am Rand der beiden Wasserbecken eingemeißelt sind, die heute auf den Grundrissen des ehemaligen Nord- und Südturms stehen. „Reflecting Absence“ (übersetzt in etwa: „Nachdenken, über das, was fehlt“) hat Architekt Michael Arad das Denkmal genannt.
Obama und Bush gemeinsam
US-Präsident Barack Obama und sein Vorgänger George W. Bush machten bei der Ankunft am „Ground Zero“ Station an den Wasserbecken. Die beiden Präsidenten sind erstmals gemeinsam an Ground Zero gekommen, um den Tag zu markieren, der die Vereinigten Staaten von Amerika so nachhaltig verändert hat. Der Versuch, die Nation wieder zusammenzubringen, wie in den Tagen nach dem 11. September.
„Zehn Jahre sind vergangen, seit ein perfekter blauer Himmel sich in eine schwarze Nacht verwandelte“, erinnert New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg zum Auftakt der Gedenkveranstaltung an einen Spätsommertag 2001, der so schön begann wie dieser Jahrestag. „Seitdem haben wir im Sonnenlicht und im Schatten gelebt.“
Die Veränderungen sind an diesem Sonntag nicht zu übersehen. Aus Sorge um die Sicherheit stehen die Präsidenten-Ehepaare Bush und Obama während der Feierlichkeiten hinter einer dicken Panzerglasscheibe, die sie vor Anschlägen schützen soll.
Obama zitiert die Bibel
Obama verzichtet auf eine politische Rede und trägt stattdessen eine Passage aus der Bibel vor. „Gott ist unsere Zuflucht und Stärke“ zitiert er aus Psalm 46. Auch Bush hält es unpolitisch. Er liest aus einem Brief, den Abraham Lincoln während des Bürgerkriegs geschrieben hatte.
Sechsmal wird das Verlesen der Namen für eine Schweigeminute unterbrochen. Zum Gedenken an das Einschlagen der Flugzeuge in das World Trade Center, das Pentagon und den Acker bei Shanksville sowie die Momente als die beiden Türme zusammenfielen. Zu diesem Zeitpunkt schwiegen auch die Versammelten der Gedenkfeiern in Washington und Shanksville, zu denen Präsident Obama später erwartet wurde.
Trauer vergeht nicht
„Wir lehnen es ab, in Furcht zu leben“, erklärte Obama in seiner Radioansprache zum Auftakt des Gedenkreigens. Sichtbarer Ausdruck an Ground Zero ist der „Freedom Tower“, der mehr als 80 Stockwerke in den Himmel ragt und bald mit 1776 Fuß das höchste Bauwerk in den USA sein wird.
Was nicht vergeht und nie wieder zurückkommt, sind die Unschuldigen, die vor zehn Jahren ihr Leben verloren. Ein Verlust, von dem auch der gemessene Schlag der Trommel und das traurige Jaulen der Dudelsäcke der Feuerwehr-Musiker zeugen, die einen symbolträchtigen Tag des Erinnerns begleiteten.