Berlin. . Sein Vater war sein Vorbild stets, überlebensgroß. Für einen ARD-Film schlüpfte Götz George in die Rolle von Bühnen-Legende Heinrich George. Er wollte ganz der Vater sein – und bleibt doch immer er selbst. Und immer bleibt dem Sohn die Frage: Wird’s dem Vater genügen?
„Sehen Sie sich mal an, was das für ein Mann war, was das für ein Tier war!“ Götz George spielt Heinrich George. Den Übervater, sein Maß aller Dinge. Den Großschauspieler und Star in Hitlers Propagandafilmen. Den Mann, der sein Jahrhundert-Talent in den Dienst der Nazis gestellt hat.
Götz George ist am Dienstagabend zur Premiere des Doku-Dramas „George“ ins Berliner Babylon-Kino gekommen. Sendetermin ist in drei Wochen, zu Georges 75. Geburtstag. Wie war das, den eigenen Vater zu spielen? Was unterscheidet sie? Er soll ein bisschen plaudern. Aber George will nicht, wird grantig und bilanziert einsilbig: „Die damalige Zeit war gigantisch – die heutige ist ein bisschen durchschnittlicher.“ Gigantisch? Man könnte das missverstehen. Aber Götz George meint nicht die Nazis, sondern die Kunst. Seinem Vater würde das gefallen. „Ich bin Schauspieler, kein Politiker“, zitiert ihn der Film.
Hitlers Film-Star schmachtete schließlich in Sowjet-Haft
Götz George hat sich sein ganzes Leben lang an seinem Vater abgearbeitet. Jetzt spielt er ihn. Erst den gefeierten Theaterberserker, später Hitlers Film-Star und schließlich den Gefangenen der sowjetischen Besatzer, kurz vor dessen Tod mit Anfang 50 im Speziallager Sachsenhausen.
Optisch glaubt man dem vitalen Götz George die Alterssprünge – doch Götz ist nicht Heinrich. Lospoltern, brüllen, schäumen, das können sie zwar beide. Aber in den stillen Szenen ist Götz George ganz er selbst – mit dieser tonlos haspelnden, immer wieder mit nervösem Kichern durchsetzten Sprechweise. „Die Bestandsaufnahme wird schwerfallen vor dem Alten“, fürchtet George.
Kaum neue Erkenntnisse
„Ich will die Besten um mich scharen.“ Das habe sein Vater immer gesagt. „Auch ich hatte die Besten“, verbeugt sich Götz George nach der Filmpremiere vor seinen Kollegen. Neben ihm sitzen an diesem Abend Burghart Klaußner und Martin Wuttke, der im Film Goebbels spielt. Muriel Baumeister ist da, die Georges Frau Berta spielt, außerdem stehen noch Samuel Finzi als sympathischer Sowjetoffizier, Thomas Thieme und Hans Zischler auf der Besetzungsliste. Doch auch die Besten können aus einem Doku-Fiction-Puzzle, das es allen Recht machen will, kaum neue Erkenntnisse destillieren.
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„Er war besser. Er war ein Besessener“, sagt Götz George über den Vater. So endet der Film. Es ist ein Mix aus Archivbildern, fiktiven Szenen und Interviews mit Götz George, seinem Bruder Jan und weiteren Zeitzeugen. Ein Doku-Drama, das um die Frage kreist, ob Heinrich George auf die Täterseite gehört oder zu den Mitläufern – und welche Spielräume er hatte. „Er musste mitschwimmen, um nicht unterzugehen“, glaubt sein Sohn Götz. „Clever“ findet er die Strategie seines Vaters. Tatsächlich war George nicht nur ein spielwütiger Mitschwimmer, sondern wirkte in den wichtigsten Propagandafilmen der Nazis mit und leitete das Berliner Schillertheater als Intendant an Goebbels’ langer Leine.
Eine klare Haltung zum NS-Regime aber vermisst man
Beim Theater, das legt der Film nahe, konnte Heinrich George manchen verfolgten Kollegen schützen. Eine klare Haltung zum NS-Regime aber vermisst man – die hatte George offenbar nur zu seiner Kunst. „Die Synagoge brennt!“, ruft seine Frau Berta in einer Szene. „Das glaube ich nicht“, blafft George zurück.
„Unsere Vereinbarung war, dass die Biographie nicht geschönt wird“, sagt Regisseur Joachim Lang. Aber er rückt eine Haltung in den Vordergrund: dass es legitim sein könnte, sich um der Kunst willen hinter der Kunst zu verstecken. „Warum spielt er da mit?“, fragt Götz George. Und lässt seinen Vater antworten: „Ach Kinder, ich wollte einfach arbeiten.“
In einer der letzten Szenen steht Götz George mit seinem 82-jährigen Bruder Jan im gekachelten Sterberaum des Vaters im Lager Sachsenhausen. Er ist erschüttert. „Die Menschen kapieren zu spät, dass da etwas ganz Besonderes verloren gegangen ist.“ Das stimmt. Und die Trauer des Sohnes ist berührend. Doch während Heinrich George sich Anfang der 40er-Jahre noch von der NS-Volksgemeinschaft feiern ließ und den Durchhaltefilm „Kolberg“ drehte, gingen bereits Millionen andere Menschen verloren.
- Sendetermine: 22. Juli (Arte, 20.15 Uhr), 24. Juli (ARD, 21.45 Uhr).