Dortmund/Wuppertal. . Streit, Verlustängste, Zerrissenheit: Wenn Mama und Papa sich trennen, ist diese Situation für die Kinder besonders schlimm. An dieser Stelle geben Experten Tipps, wie sich Eltern verhalten sollten. Immer beliebter wird das „Wechselmodell“.

Die heile Welt, sie ist vorbei. Die Sache mit Mama und Papa war kein Bund fürs Leben, die beiden gehen auseinander. Das ist für alle Beteiligten schlimm und für die Kinder ganz besonders. Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 188 000 Ehen geschieden, mehr als 145 000 Kinder steckten mittendrin. Was tun mit dem Nachwuchs? Modelle gibt es viele. Das gängigste sieht vor, dass das Kind unter der Woche bei der Mutter lebt, am Wochenende beim Vater.

Buchtipp: „Eine Woche Mama, eine Woche Papa“

Doch eine andere Idee scheint immer mehr an Bedeutung zu gewinnen: das Wechselmodell. Dabei wohnt das Trennungskind zeitlich annähernd gleichwertig in beiden Elternhaushalten. Die Wulffs machen es vor. Nach seiner Trennung hat das Promi-Paar kürzlich erklärt, Sohn Linus (4) werde von Donnerstag bis Sonntag bei Vater Christian wohnen, die übrige Zeit bei Mutter Bettina.

Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts in München könnte sich dieses Wechselmodell durchsetzen. „Familien, die nach diesem Muster leben, treffen sich auffallend selten vor Gericht“, sagt die Wuppertaler Journalistin Ina Kiesewetter. Sie hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Petra Wagner ein Buch über Trennungskinder geschrieben. In „Eine Woche Mama, eine Woche Papa“ begleiten die beiden Frauen 14 Trennungsfamilien im Alltag und lassen Experten die familiären Verhältnisse bewerten. Immer mit der Frage vor Augen: „Wie leidet das Kind möglichst wenig?“

Das sagt die Psychologin

„Wenn sich Eltern gleichberechtigt um das Kind kümmern, dann heißt das auch, dass zum einen jeder mehr Zeit für sich hat, und zum anderen, dass die Erziehungsarbeit auf beide verteilt wird“, so Katharina Grünewald aus Köln. Grundsätzlich sei es wichtig, das Kind nicht mit den Gefühlen der Eltern zu belasten. Nach dem Motto: „Ich bin durch den Wind, kümmere du dich doch mal um mich!“ In diesem Fall sei das Kind mit seinen sensiblen Antennen sehr viel mehr bei Mama oder Papa als bei sich selbst. Grünewald warnt vor psychosomatischen Störungen, die sich entwickeln könnten. Wenn ein Kind sich eigentlich auf die Mama freut, sich dieses aber nicht traut zu äußern, dann werde es in dieser Situation vielleicht sagen: „Mein Bauch tut weh.“

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Das sagt die Psychotherapeutin

„Kinder reagieren mit Angst auf eine Trennung. Es macht ihnen Sorgen, dass Menschen, die immer gesagt haben, dass sie sich lieb haben, dass sie zusammenleben wollen, plötzlich Nein sagen und sich trennen.“ Das erlebt Birgit Schmitt in ihrer Praxis in Dortmund tagtäglich. Bei einer Trennung stellen sich Kinder meistens die Frage „Entlieben sich die Eltern auch von mir?“

Das sagt der Trennungscoach

„Kinder, die ohne Väter groß werden, überhöhen diesen Elternteil. Wenn der Vater nicht da ist, ist das für sie ganz entsetzlich. Das sind dann die 15-Jährigen, die 50-jährige Freunde haben und einem Bild hinterherjagen. Kein Mensch wird diese Fantasie erfüllen können.“ Erkenntnisse von Ralf Stallbaum aus Wuppertal. Das Schlimmste für ein Kind sei zudem, wenn die Eltern vor ihm streiten.

Das sagt die Familienanwältin

Trennungskinder fürchten sich davor, bei allen familiären Schwierigkeiten auch noch in Auseinandersetzungen um das Geld verwickelt zu werden. Martina Mainz-Kwasniok aus Aachen plädiert für Klarheit direkt bei der Trennung: „Ich empfehle, ein Kinderkonto einzurichten. Ein Konto, das hauptsächlich durch das Kindergeld gespeist wird. Beide Elternteile verfügen über eine EC-Karte und die Kontoberechtigung.“ Von diesem Konto aus sollten sämtliche Fixkosten für das Kind bezahlt werden, vom Sportverein bis zur Nachhilfe. Wenn das Geld einmal nicht ausreicht, rät die Anwältin zum Blick auf die Quote: Welcher Elternteil verdient wie viel vom Gesamteinkommen? In diesem Verhältnis müsse der Finanzkräftigere dann auch das Kinderkonto bezuschussen.

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Das sagt das Kind

Julian war sieben, als seine Eltern sich trennten. Seitdem wechselt er sonntags von der Mutter zum Vater und umgekehrt. Heute ist er 18 und sagt: „Die wöchentliche Übergabe habe ich immer als relativ entspannt empfunden. Klar, es war keine herzliche Stimmung. Aber ich habe gemerkt, dass keiner dem anderen etwas Böses wollte.“ Jeder Beteiligte habe sich Mühe gegeben, keinen Stress aufkommen zu lassen. „Das haben sie gut gemacht.“ Auch Trennungskinder können glücklich sein

Das Buch: Der Alltag in Wechselmodell-Familien

Als Mutmacherbuch für getrennte Eltern versteht sich „Eine Woche Mama, eine Woche Papa“ (Kreuz, 15 Euro). Geschrieben haben es die Redakteurinnen Ina Kiesewetter und Petra Wagner aus Wuppertal. Wagner und Kiesewetter haben sich den Alltag in Wechselmodell-Familien angesehen.Es geht um Vorteile, Tücken und mögliche Fallen. Kinder, Jugendliche, Mütter und Väter erzählen sehr offen, wie es sich anfühlt, wie sie es hinkriegen mit dem ständigen Umziehen, dem Sachenpacken und anderen Nebenwirkungen.