Brüssel. Belgien war schockiert, als die Details über die Verbrechen des Kindermörders Marc Dutroux bekannt wurden. Hunderttausende gingen damals empört auf die Straßen. Nun hat der 56-Jährige seine Entlassung aus der Haft beantragt.

Er gilt als bekanntester und meistgehasster Verbrecher Belgiens - und jetzt will er, was er für sein Recht hält. Marc Dutroux hat sechs Mädchen entführt, gefoltert und vergewaltigt, vier von ihnen starben. Die lebenslange Haft, zu der er 2004 verurteilt wurde, will der 56-Jährige nicht absitzen. Er will mit einer elektronischen Fußfessel vorzeitig entlassen werden. Am Montag (4.2.) wird der pädophile Serientäter in Brüssel einem Gericht vorgeführt, das über diesen Antrag befinden muss. Bis zur endgültigen Entscheidung kann es aber noch Wochen dauern.

Seit seiner Verhaftung im Sommer 1996 sitzt Dutroux hinter Gittern. Bereits 1989 war er wegen der Entführung und Vergewaltigung minderjähriger Mädchen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Doch schon drei Jahre später ließ man ihn wieder laufen. Und weitere drei Jahre später war er wieder auf Mädchenjagd: 1995 begann er mit jenen Entführungen, Folterungen und Vergewaltigungen, von denen vier tödlich endeten und die zu seiner Verurteilung 2004 führten. Unter Mithilfe seiner ihm hörigen Ehefrau sperrte er die Kinder in ein enges Kellerverlies. Dass er 1998 aus einem Justizgebäude zu fliehen versuchte, trug ihm weitere fünf Jahre Haft ein.

Vor der Entlassung von Dutroux Komplizin Michelle Martin gab es massive Proteste in Belgien.
Vor der Entlassung von Dutroux Komplizin Michelle Martin gab es massive Proteste in Belgien. © afp

Aus all diesen Strafen errechneten die Juristen, dass Dutroux von April 2013 an freigelassen werden könnte. Das belgische Recht erlaubte bislang "Lebenslänglichen" den ersten Antrag auf Freilassung nach zehn Jahren Haft, bei Wiederholungstätern nach 16 Jahren. Vier Tage vor der Anhörung Dutroux hat das Parlament ein neues Gesetz beschlossen, allerdings ohne rückwirkende Gültigkeit. Die Frist für den Freilassungsantrag wird auf 15 beziehungsweise 23 Jahre erhöht. In Fällen wie jenem von Dutroux kann ein dreiköpfiges Gericht nicht mehr mit Mehrheit, sondern muss ein fünfköpfiges Gericht einstimmig entscheiden.

Chancen auf baldige Entlassung gering

Das neue Gesetz ist eine Reaktion auf den öffentlichen Aufschrei nach der Freilassung der einstigen Dutroux-Gemahlin Michelle Martin (52). Sie war 2004 wegen Mittäterschaft zu 30 Jahren Haft verurteilt worden - doch wurde sie im Juli vergangenen Jahres freigelassen. Nun lebt sie in einem Kloster des Klarissenordens in der Nähe von Namur. Aber sie hat auch schon Urlaub in Knokke an der Nordseeküste gemacht und sich in einem Salon die blonden Haare legen lassen - in Begleitung von Leibwächtern. Immerhin fand sie für ihre Taten - zwei Mädchen ließ sie im Keller des Dutroux-Hauses verhungern - Worte des Bedauerns.

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So etwas hat man von Marc Dutroux noch nicht gehört. Deshalb gelten auch seine Chancen auf eine baldige Freilassung als gering. "Er hat sich nicht geändert", räumt sein Anwalt Ronny Baudewijn ein. "Er ist überzeugt, nichts Böses getan zu haben", vertraut sein Arzt Michel Matagne belgischen Journalisten an. Im Gefängnis, wo Dutroux aus Sorge um seine Sicherheit nicht in Kontakt mit anderen Gefangenen kommt, studiere er zumeist seine Prozessakten, um nach einem Grund für einen Revisionsantrag zu suchen. Der Mediziner, der demnächst ein Buch über seinen prominenten Patienten veröffentlichen will, sieht auch in Dutroux "ein Opfer": Dutroux, Sohn eines Lehrer-Ehepaares, leide "seit seiner Geburt an einem völligen Mangel an Hinwendung".

Familie eines Opfers klagt beim Europäischen Gerichtshof

Die Freilassung von Dutroux wäre nur möglich, wenn Gutachten der Gefängnisleitung und psychologischer Sachverständiger besagen, dass vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht. Vor der Entscheidung müssen die Opfer entschädigt werden, wobei niemand wirklich weiß, wie das im Fall Dutroux funktionieren soll. Die Familie eines jener Mädchen, die von Dutroux grausam zu Tode gequält wurde, hat bereits Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Sie bemängelt, dass die Opfer nicht nur Freilassung eines Täters befragt werden. Die Familie argumentiert, das verstoße gegen das Menschenrecht. Das Menschenrecht der Opfer. (dpa)