Köln. . Beim Fernsehsender Vox gibt es was zu feiern. Der kleine Bruder vom oft grellen, bunten und kreischenden RTL wird 20 Jahre alt. Der Sender kann mit Qualität punkten. Statt brisanter Kuppelshows gibt es Dokumentationen und Kochsendungen.
Wenn RTL als Unterhaltungsdampfer durch die Meere der Fernsehwelt schippert, dann ist Vox das schicke Beiboot. Während der Kölner Muttersender allzu oft auf grelle Volksbelustigung setzt, bietet Konzerntochter Vox gehobene Unterhaltung und, mehr noch, pfiffige Lang-Dokus. Am Freitag hat der Sender Grund zu feiern: Er wird 20 Jahre alt.
Eilmeldungen setzen neue Maßstäbe
Rückblende. Anfang der 90er herrscht herrscht Goldgräber-Stimmung im deutschen Fernsehen. Die privaten Sender RTL und Sat.1 haben sich nur wenige Jahre nach ihrer Zulassung etabliert. Ihr frischer Jugend-Stil lässt die Öffentlich-Rechtlichen als alte Tanten erscheinen. Das gilt selbst für die Information. US-Sender CNN mischt mit Live-Berichterstattung vom Golf-Krieg die Fernsehwelt auf. Seine „Breaking News“ setzen Maßstäbe: Eilmeldungen unterbrechen das laufende Programm.
Das ermutigt die Macher von Vox. Bei wichtigen Ereignissen will der dritte deutsche Privatsender live dabei sein, schneller als die Öffentlich-Rechtlichen – und besser. Mit Top-Leuten von ARD und ZDF wie Wiebke Bruhns und Ruprecht Eser. Dahinter steht ein Unternehmen namens Westschienenkanal Film- und Fernseh-GmbH.
Von „Ally McBeal“ zu „Wa(h)re Liebe“
Doch hoch fliegenden Plänen folgt der Absturz: Die Quoten sind zu niedrig, die Kosten zu hoch. Bereits 1994 müssen die Anteilseigner auf den Misserfolg im Markt reagieren. Schließlich übernimmt Rupert Murdochs Newscorp die Mehrheit bei Vox. Der australisch-amerikanische Medienmogul verpasst Vox ein neues Konzept.
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Der Sender setzt auf Unterhaltung der intelligenteren Art. Mit der US-Anwaltsserie „Ally McBeal“ gelingt Vox ein Überraschungshit. Zudem punktet der Sender mit dem Reise-Format „Voxtours“ und dem Erotik-Magazin „Wa(h)re Liebe“, das von der schrillen Kunstfigur Lilo Wanders moderiert wird.
Zudem erfindet Vox ein Genre, vor dem es inzwischen in der gesamten Fernsehlandschaft kein Entrinnen mehr gibt: die Kochshow.
Der Sender-Kurs bleibt, auch wenn sich die Eigentümer-Verhältnisse abermals ändern. 1999 übernimmt die RTL-Gruppe die Mehrheit an Vox, nur ein Jahr später gehört ihr der Sender fast ganz.
„CSI“ mischt die deutsche Krimi-Landschaft auf
Beim Ankauf von Lizenzware hat Vox ein glückliches Händchen. 2001 startet die US-Serie „CSI“, die das gesamte Krimi-Genre revolutioniert. Labortechnik in der Gerichtsmedizin wird, damals neu, zum Thema, und schnelle Schnitte.
Und die Eigenproduktionen? Nachmittags, am Vorabend und manchmal auch zur besten Sendezeit menschelt es bei Vox – sei es bei dem annehmbaren Immobilien-Format „mieten, kaufen, wohnen“, sei es bei der Kochshow „Das perfekte Dinner“, sei es bei der zuweilen unfreiwillig komischen Blondine Daniela Katzenberger.
Einen guten Ruf hat sich Vox am Samstag gemacht. Ausgerechnet ein Privatsender bietet mit geballter Information Kontrastprogramm zu der Endlosschleife von Krimi-Reihen und Familienshows der Mitbewerber. Nicht selten geht es vier Stunden lang um ein einziges Info-Thema.
Frank Hoffmann muss bei RTL beweisen, ob er den „X Factor“ hat
Der Publikumserfolg gibt Geschäftsführer Frank Hoffmann Recht. Vox ist beim Gesamtpublikum die Nr. 1 unter den Privatsendern der zweiten Generation. Bei den Zuschauern unter 50 hängt der Kanal ARD und ZDF locker ab.
Dahinter steckt ein kluger Kopf. Seit 2005 verantwortet Frank Hoffmann das Programm – als Nachfolger von Anke Schäferkordt. In wenigen Tagen wechselt der 46-jährige Ostwestfale erneut. Hoffmann beerbt Schäferkordt ein weiteres Mal. Als neuer RTL-Chef muss er zeigen, ob er den „X Factor“ hat: Der Sender schwächelt. Das Zeitalter der Castingshows ist vorbei. Der Unterhaltungsdampfer RTL braucht einen neuen Kurs.