Berlin/Goslar. Der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm hat die Pläne für eine Reform des Verkehrsrecht kritisiert. Nehm sagte, ihm fehle der Gedanken der Registergerechtigkeit. Die Verlängerung der Tilgung von Punkten in Flensburg passe nicht zum Erziehungsgedanken, der im Verkehrsrecht gelte.
Der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm findet das neu vorgeschlagene Punktesystem für Verkehrssünder zu unausgewogen. Es sei stellenweise schärfer und hebele den Grundgedanken der Erziehung aus, der im Verkehrsrecht seit den 1960er Jahren vorherrsche, sagte Nehm. Er ist Präsident des am Mittwoch beginnenden Verkehrsgerichtstages in Goslar. Der 71-Jährige hoffte auf Vorschläge der dort anwesenden Fachleute, das System zu verbessern.
Nehm sagte im Interview der Nachrichtenagentur dapd über den im Dezember vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf: "Mir fehlt so ein bisschen der Gedanke der Registergerechtigkeit. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf entfernt sich leider in entscheidenden Punkten von den ursprünglichen Vorstellungen des Verkehrsministers."
Verkehrsfehler dürfen laut Nehm nicht zur Existenzgefährdung führen
Der Entwurf verlängert teilweise die Fristen für eine Tilgung von Punkten auf zehn Jahre. Hier gebe es eine Kollision zwischen dem Bundeszentralregister und dem Fahrerlaubnisregister, erläuterte Nehm. Auch ist es Verkehrsrowdys laut dem Gesetzentwurf nicht mehr möglich, durch Seminare Punkte abzubauen. Nehm hingegen meinte, wer sonst rechtstreu sei und jeden Tag "auf dem Bock sitze", müsse die Chance haben, dass Sünden in angemessener Zeit vergessen werden.
"Jeder von uns weiß, dass man aus Nachlässigkeit oder Unaufmerksamkeit Verkehrsverstöße begehen kann", sagte Nehm und fügte an: "Derartige Fehler dürfen auch bei Wiederholung innerhalb von fünf oder mehr Jahren nicht gleich zur Existenzgefährdung führen." Auch dies passe nicht zum Erziehungsgedanken, der im Verkehrsrecht gelte.
Abänderungen zur Reform des Flensburger Punktesystems sind beratungsbedürftig
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte im Frühjahr Eckpunkte für eine Reform des Punktesystems vorgelegt, die Nehm als "überzeugend" wertete. Dann habe es noch Abänderungen gegeben, die im Dezember vom Bundeskabinett verabschiedet wurden. "Was jetzt herausgekommen ist, hat einen ganz erheblichen Beratungsbedarf nach sich gezogen", sagte Nehm.
Diese Beratungen finden unter anderem diese Woche bei der Tagung von rund 2.000 Fachleuten aus dem Verkehrsbereich statt, dem traditionellen Verkehrsgerichtstag im niedersächsischen Goslar. (dapd)