Essen. Erst vor zwei Wochen ist Gérard Depardieu Russe geworden, weil er für seine Millionen weniger Steuern zahlen will. An diesem Freitag stapft er schon mit Fellmütze und Rauschebart durch die Taiga. Er spielt einen bettelarmen Mystiker, der plötzlich zum inneren Kreis des Zarenhofes gehört: „Rasputin“.
Er schüttet Wodka und Portwein in die Kehle, als wär’s Wasser, er fläzt sich mit drei nackten Huren auf dem Lotterbett herum, und wenn er wie ein Bär über die Tanzfläche stampft und mit den Armen herumfuchtelt, wackelt der Salon: Hätte Gérard Depardieu noch ein Bewerbungsschreiben für die russische Staatsbürgerschaft gebraucht – mit diesem Auftritt hätte man ihm den Pass sofort in die Hand gedrückt: Der Noch-Franzose gibt den „Rasputin“ (Freitag, 20.15 Uhr, Arte), und kein Russe könnte das wohl russischer aufführen. Gewissermaßen der Fernsehfilm zur Auswanderungsdebatte: Der Sendetermin sitzt, so viel ist sicher.
Ein Saft- und Kraftmensch
Natürlich schert sich niemand darum, dass Rasputin, der bauernschlaue Wunderheiler und vermeintliche Hellseher aus Sibirien in Wirklichkeit eher ein schlankes Bürschchen war, als er der Zarenfamilie als Berater und Therapeut zur Seite stand. Depardieu macht ihn im Auftrag von Regisseurin Josée Dayan mit voller Körperwucht zum hemmungslosen Saft- und Kraftmenschen mit Haarzotteln und Bart-Urwald.
So einer kippt nicht einmal um, wenn ihm der missgünstige russische Adel im großen Komplott-Finale Giftmengen in den Wein schüttet, die „eine Herde Wisente“ auslöschen könnten, wie ein staunender Verräter konstatiert. So einer braucht schon ein Dutzend Kugeln aus der Pistole, damit es ihn endlich mal aus den Socken haut. Selbst dann starrt er seine Kontrahenten noch mit einem Blick an, der Löcher ins Moskauer Eis fräsen könnte.
Eine Ein-Mann-Show
Depardieu zieht den Film mit Macht an sich, lotet die darstellerischen Möglichkeiten bis an die Grenzen der Karikatur aus und hat mächtigen Spaß. Den Mitspielern, selbst der wunderbaren Fanny Ardant als ungeliebter Zarin, bleibt da wenig Raum zur Entfaltung.
Jenseits der Ein-Mann-Show, die irgendwann beim dritten Tänzchen auf dem Parkett der feinen Moskauer Gesellschaft auch nur noch mäßig originell wirkt, arrangiert Josée Dayan das Geschehen am russischen Hof und auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs als betulichen Historienfilm voller Klischees. Rasputins Aufstieg zum politischen Einflüsterer und sein menschlicher Absturz zum Quartalssäufer kommen als unkommentierter Bilderbogen daher.
Das mag für Depardieu ein toller Einstand als Russe sein, den ungezählten Filmen über Rasputin fügt es nichts Neues hinzu.