Berlin. . Seinen Plan könnte man naiv nennen, bestätigt der Polizei-Einsatzleiter. Doch der Mann, der am Freitag in einer Berliner Bank fast zehn Stunden eine Geisel in seiner Gewalt hatte, war nicht ungefährlich. Die Bombe, mit der er in der Bank drohte, bestand allerdings nur aus drei Kilo Mehl.

Nachdem ein Geiselnehmer in einer Bankfiliale in Zehlendorf ganz Berlin eine Nacht lang in Atem gehalten hat, sind am Samstag Einzelheiten der Tat bekannt geworden. Bei dem Festgenommenen handele es sich um einen 29-Jährigen aus Wolfsburg in Niedersachsen, teilten die Ermittler mit. "Es zeichnet sich ab, dass der Mann möglicherweise Schulden hatte", hieß es auf einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag weiter. Er habe die Tat geplant.

Der Polizei war es am frühen Morgen nach fast zehn Stunden gelungen, den Täter in langen Verhandlungen zur Aufgabe zu überreden. Zunächst ließ der Mann seine 40 Jahre alte Geisel frei, dann stellte er sich den Beamten. Geisel und Täter blieben unverletzt. Die Polizei war mit rund 300 Einsatzkräften vor Ort.

Der offenbar etwas naive Mann soll eigentlich geplant haben, die Filiale bereits am Vortag zu überfallen. Dabei gab er nach Angaben von Einsatzleiter Jochen Sindberg vor, ein Konto eröffnen zu wollen. Schließlich sei er am Freitag mit einer blauen Sporttasche in die Bank zurückgekehrt und habe behauptet, darin befinde sich eine Bombe. "Er hatte dabei offenbar die Vorstellung, dass sein Drohpotenzial zügig dazu führt, dass er bedient wird", berichtete der Ermittler.

Geiselnehmer wollte eine Million Euro erpressen

Bei den Verhandlungen habe der Geiselnehmer zunächst eine halbe Million Euro gefordert und "dann relativ zügig auf eine Million erhöht". Es sei allerdings deutlich geworden, dass er "mit der Situation selber nicht sehr glücklich" war.

Die Bombe, mit der der Mann gedroht hatte, das Bankgebäude zu sprengen, habe aus "drei Kilo Mehl" bestanden. Seine Waffe sei eine Schreckschusspistole gewesen. Dennoch habe man den Täter "in seiner Gefährlichkeit nicht unterschätzen" dürfen.

In der Vernehmung am Samstag habe sich der 29-Jährige "geständig gezeigt", sagte Oberstaatsanwalt Jörg Raupach. Wegen des Vorwurfs des erpresserischen Menschenraubes drohten ihm 5 bis 15 Jahre Haft. Seine 40-jährige Geisel sei relativ gefasst und stabil, sagte Sindberg. Der Täter habe den Mann "sehr anständig" behandelt und mehrmals betont, ihm nichts antun zu wollen. Nach langen Verhandlungen hätten ihn die Ermittler schließlich überreden können, aufzugeben.

Unterdessen wurde die Berliner Polizei für den Einsatz gelobt. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach den Beamten seinen Dank aus. Er sei erleichtert über das "glückliche Ende". Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach von einer "hohen Professionalität". Die Einsatzkräfte seien auf alle Eventualitäten vorbereitet gewesen.

Polizeipräsident Klaus Kandt betonte, seine Leute hätten mit "großer Geduld und Ausdauer" verhandelt. "Ich selbst war im Führungsstab und konnte mich davon überzeugen, wie ruhig und professionell der Einsatz abgelaufen ist", berichtete er. Kandt hatte sein Amt erst am vergangenen Montag angetreten.

Zuletzt hatte in Berlin im April 2003 ein Geiselnehmer einen Linienbus nach einem Banküberfall im Stadtteil Schöneberg in seine Gewalt gebracht. Ein zweiter Bankräuber konnte zunächst entkommen. Von ursprünglich 20 Geiseln wurden im Verlauf einer mehrstündigen Irrfahrt durch die Stadt alle bis auf zwei freigelassen. Nach viereinhalbstündiger Geiselnahme stürmte ein Spezialeinsatzkommando den entführten Bus, befreite die letzten beiden Geiseln unverletzt und nahm den 46-jährigen Entführer fest.

Im Juni 1995 hatten sechs Männer eine Commerzbank, ebenfalls in Zehlendorf, überfallen und 16 Geiseln genommen. Als die Polizei nach 18 Stunden die Bank stürmte, waren die Täter mit einer Beute von knapp 16 Millionen D-Mark, darunter Lösegeld aber auch Goldbarren und Schmuck aus den Safes, durch einen selbst gegrabenen Tunnel entkommen. Sie wurden aber später gefasst und verurteilt. (dapd)