Essen. Am 31. Dezember endet die Amtszeit der ARD-Vorsitzenden Monika Piel. Wie sie den öffentlich-rechtlichen Auftrag des Senders interpretierte, ob Thomas Gottschalk bald wieder zu sehen sein wird und ob Reinhold Beckmann um seinen quotenschwachen Talk fürchten muss, verrät die 61-Jährige im Interview.

Zum Jahresende ist Schluss: Monika Piel legt am 31. Dezember ihr Amt als ARD-Vorsitzende nieder. Jürgen Overkott sprach mit der 61-Jährigen über Quoten, Gebühren, Naturdokus am Montag und das "Experiment" Thomas Gottschalk.

Zum Ende Ihrer zweijährigen Amtszeit steht die ARD beim Gesamtpublikum vor der schlechtesten Quote seit Bestehen der Sendergruppe. Was hat das mit Ihnen zu tun?

Monika Piel: Vielleicht hat es wirklich ein wenig mit mir zu tun. Ich habe mich von Anfang an dafür eingesetzt, dass Information im Vordergrund steht, dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechend. 40 Prozent der Sendezeit sind für die Information geblieben. Wir haben, beispielsweise, mehr "Brennpunkte" gemacht. Wenn man sich also für mehr Information entscheidet, weiß man, dass das keine Quoten-Hits garantiert. Und zu den Quoten: Ich finde den Aufschrei übertrieben, die großen Sender liegen lediglich um ein paar Zehntelpunkte auseinander.

Ich sehe das Abschneiden gar nicht so sehr als Folge von mehr "Brennpunkten", die ja überdurchschnittlich gut gelaufen sind. Ich sehe eher den Montagabend als Baustelle. Naturdokus sind für "Hart, aber fair" kein toller Vorlauf.

Piel: Würde ich nicht sagen. Wir sind grundsätzlich damit einverstanden, dass wir den Montag zum Info-Montag gemacht haben. Wir haben am Montag eine harte Konkurrenzsituation mit dem ZDF-Film und den RTL-Shows. So gesehen finde ich, das es für uns ganz gut läuft, vor allem wenn ich an den "Marken-Check" denke – als Leuchtturm in Verbindung mit “Hart, aber fair”; auch Plasbergs Sendung selber hält sich ja ausgezeichnet trotz dieser harten Konkurrenz. Aber man hätte vielleicht nicht so viele unterschiedliche Formate um 20.15 Uhr nehmen sollen.

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Ein viel größeres Problem für die Quote ist der Vorabend. Haben Sie bei Gottschalks Verpflichtung verkannt, dass er seine Zukunft hinter sich hat?

Piel: Das sehe ich nicht so. Es war ein Experiment, und ich fand, dass "Gottschalk live" ein gutes Format war. Aber: Das Publikum hat es nicht angenommen, so dass das Experiment nach gut fünf Monaten zu Ende war. Aber dadurch ist nicht das ganze Gebäude ins Wanken geraten. Richtig ist: Der Vorabend ist eine Problemzone, seit ein paar Jahren schon. Auch die Krimis light haben nicht die Publikumsresonanz, die wir uns versprochen hatten. Bei vielem, was wir ausprobiert haben, sind wir nicht zu zufrieden stellenden Lösungen gekommen.

Es gibt in der ARD eine Diskussion, das "Supertalent" Gottschalk wieder zurückzunehmen. Ist das eine gute Idee?

Piel: Wir, das heißt: die ARD, sind mit ihm im Gespräch für Abendsendungen, das waren wir aber schon unmittelbar nach dem Ende seiner Vorabendshow.

Hatte er in seinem Vorabend-Vertrag eine Option für Abendshows?

Piel: Nein, das war so nicht konkretisiert. Der Vertrag war mit unseren Werbetöchtern abgeschlossen. Abendshows sind eine ganz andere Sache. Richtig ist: Wir haben damals schon gesagt, dass wir uns vorstellen können, mit ihm im Abendprogramm zusammenzuarbeiten. Es ist nicht an eine regelmäßige Sendung gedacht. Im Augenblick wird bei verschiedenen Sendern an Konzepten gearbeitet.

"Welchen Sender wollen Sie unbedingt auf einer einsamen Insel sehen?" 

An der Quote kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Hinblick auf die Rechtfertigung der Gebühren nicht vorbei. Warum läuft der ARD jetzt auch das ältere Publikum davon?

Piel: Das stimmt nicht. Wir haben weiter sehr gute Quoten beim älteren Publikum. Die großen Sender liegen eng bei einander. Und bei der Frage "Welchen Sender wollen Sie unbedingt auf einer einsamen Insel sehen?" liegen wir in Umfragen vorn.

Aber wir hatten ein Sportjahr, von dem sich die ARD mehr versprochen hatte.

Piel: In der Prime-Time (am Abend, Red.) ist die ARD Marktführer.

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Wenn wir auf das junge Publikum unter 50 sieht, liegt die ARD inzwischen hinter RTL II zurück. Warum haben Sie sich so lange gegen einen Jugendkanal ausgesprochen?

Piel: Jugendkanal bedeutet für mich ein Programm für 14- bis 29-Jährige. Und ich habe immer gesagt, ich bin dafür, wenn er finanziert werden kann. Das sagt Herr Bellut (ZDF-Intendant, Red.) ja auch.

Die ARD könnte bei den Digitalkanälen umschichten.

Piel: Welches Angebot meinen Sie? Und: Die Einsparungen bei Digitalkanälen wären gering und würden alleine nicht reichen. Denn ein Angebot für 14- bis 29-Jährige haben wir im Augenblick noch nicht im ausreichenden Maße. Diese Inhalte müssen überwiegend neu erstellt werden.

Der Zahl der Digitalkanäle kann man sich auch von einer anderen Seite nähern: ARD und ZDF machen dem gemeinsamen Info-Kanal Phoenix Konkurrenz durch tagesschau24 und ZDFinfo.

Piel: Ich sehe nicht, dass es bei Phoenix, tagesschau24 und ZDFinfo große Überschneidungen gibt. Phoenix macht als Parlaments- und Gesprächssender etwas ganz anderes als die beiden Nachrichtenkanäle. Aber: Wir werden mit den Ministerpräsidenten über alles reden. Für den Jugendkanal würde ein Kanal auf jeden Fall wegfallen. Es kommt alles auf den Prüfstand.

Sind fünf Talkshows zu viel? 

Auf den Prüfstand kommen die Talk-Shows. Fünf werden als zu viel angesehen. Zielt Parlamentspräsident Lammerts Vorwurf der Entertainisierung der Information in Ihre Richtung?

Piel: Überhaupt nicht. Die ARD hat kein Problem mit fünf Talkshows, weil die Zuschauer keins damit haben. Dass "Beckmann" nicht so viele Zuschauer hat, liegt nicht an seiner Qualität, sondern an dem Sendeplatz (er konkurriert donnerstags direkt mit "Maybrit Illner" im ZDF, Red.).

Aber noch mal zu Lammert.

Piel: Ich habe oft mit ihm gesprochen. Wenn das Einzige, was wir im Politik-Angebot haben, Talk-Shows wären, dann hätte er Recht. Mit dem Polit-Talk erreichen wir Menschen, die sich andere Formate nicht ansehen. Die Wahlbeteiligung liegt oft nur noch bei 50 Prozent. Und mit den Polit-Talks wollen wir Menschen erreichen, die Magazine wie "Monitor" und "Panorama" nicht sehen.

"Beckmann" hat mit sieben Prozent die schwächte Quote von allen fünf Talks. Muss er gehen?

Piel: Wir reden im Frühjahr darüber. Fast alle Verträge mit den Moderatoren laufen bis zum Ende nächsten Jahre. Das wäre für die Moderatoren nicht zumutbar, wenn sie jetzt schon wüssten, dass sie Ende nächsten Jahres aufhören müssten. Außerdem muss man neben der Quote noch die Qualität im Auge behalten. Und ich finde, Herr Beckmann macht wirklich gute Talkshows. Er hat sich inhaltlich gesteigert.

Könnte die Diskussion damit enden, dass alles so bleibt, wie es ist?

Piel: Das müsste man sehen. Warten wir doch die Evaluierung ab. Die Zuschauer haben kein Problem damit.

Wenn man die vielstimmige Diskussion über die Talkshows betrachtet, klingt ARD wieder wie "Alle reden durcheinander". Haben die Intendanten in Ihrer Amtszeit eher gegen- als miteinander gearbeitet?

Piel: Nein, grundsätzlich arbeiten für das Erste alle miteinander. Darüber hinaus arbeitet jeder Intendant für seinen eigenen Sender, die alle unterschiedliche Probleme und Interessen haben, beispielsweise bei der Finanz-Ausstattung. Es lässt sich bei der ARD mit ihren vielen Gremien natürlich eher ein Konflikt konstruieren als bei einem Sender, der eine Zentrale und ein Zentralprogramm hat.

Beneiden Sie Herrn Bellut?

Piel: Ja. Er macht einen tollen Job. Ich arbeite gern mit ihm zusammen. Ich beneide ihn schon manchmal für seine kurzen Entscheidungswege.

Eine Zentrale widerspräche dem föderalen System der ARD 

Braucht der ARD-Vorsitz mehr Entscheidungsgewalt?

Piel: Natürlich wäre es mit einer Zentrale in mancherlei Hinsicht leichter, etwas durchzusetzen. Aber eine ARD-Zentrale widerspricht dem förderalen System der Sender - und auch der Gesetzeslage.

Viele Dinge bei der ARD lassen sich nachlesen. Aber bei Sportrechten und Sendungsetats, beispielsweise, gibt es keine Transparenz für Gebührenzahler. Warum wehrt sich die ARD?

Piel: Die meisten Leute interessiert: Was verdient ein Showmaster, was verdient ein Schauspieler? Wir dürfen derartige Information nicht herausgeben, schon datenrechtlich nicht, das sind persönliche Daten.

Zugestanden, aber die Frage zielte in Richtung Sportrechte und Sendungsetats.

Piel: Die Kosten für die Sportrechte werden ja veröffentlicht, die Gesamtkosten. Wenn wir die Kosten für die Rechte an einzelnen Sportarten veröffentlichen würden, würde das nur die Preise in die Höhe treiben, nichts anderes.

Sky veröffentlicht zumindest, was das Bundesliga-Paket pro Saison kostet: 485,7 Millionen Euro.

Piel: Die Verbände haben doch ein Interesse daran, ihr Produkt möglichst hochpreisig zu verkaufen, und wir sind in unseren Verträgen zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Kontrollgremien der ARD werden natürlich im Detail informiert.

Die ARD hat neun Anstalten. Wenn wir in die Glaskugel gucken: Wann gibt es nur noch einen öffentlich-rechtlichen Sender?

Piel: Ich hoffe, nie. Die ARD ist ganz stark in den Regionen verankert, das sehe ich als wichtige Aufgabe, denken Sie nur an unsere regionale Berichterstattung. Aber wenn tatsächlich mal zur Debatte stehen sollte, wäre es Sache der Medienpolitiker. Von uns wird es den Vorschlag nicht geben.