Duisburg. .
Die kürzlich wiedergewählte WDR-Intendantin Monika Piel steht vor etlichen Baustellen im Sender. Auch im Ersten gibt es für die ARD-Vorsitzende viel zu tun. Was nun, Frau Piel?
Gerüchte sagen, dass Sie zur Hälfte Ihrer zweiten Amtszeit abtreten wollen. Was ist dran?
Monika Piel: Ich bin für sechs Jahre gewählt. Und es gibt viel zu tun. Der Sender wird auch aufgrund von Sparmaßnahmen komplett umstrukturiert. Das möchte ich zu Ende führen.
Die Gebührenzahler müssten jubeln, andererseits sehe ich Kritiker, die einen Qualitätsverlust fürchten. In welche Richtung geht es?
Monika Piel: Wir sparen auf keinen Fall an der Qualität. Stattdessen schaffen wir mit neuen Strukturen und neuen Arbeitsabläufen Synergien, beispielsweise durch standardisierte Arbeitsplätze mit einem einheitlichen Redaktionssystem. Das nenne ich intelligentes Sparen. Auch innerhalb der ARD soll noch mehr gemeinschaftlich gemacht werden, z.B. bei der Anschaffung einheitlicher Ü-Wagen. Wir haben übrigens auch noch nie so eng mit dem ZDF zusammengearbeitet wie jetzt bei der Fußball EM. Das spart richtig Geld.
Es gibt Dokus mit Potenzial für den Sendeplatz 20.15 Uhr
Sparen führt zum „Marken-Check“, der vom WDR entwickelt wurde und auch im Ersten sehr erfolgreich lief. Wird das eine Blaupause für ähnliche Formate?
Monika Piel: Es kommt auf die Themen an. Ich persönlich finde, dass Dokumentationen nicht zwangsläufig erst am späten Abend ausgestrahlt werden müssen. Wir hatten zuletzt Porträts großer Persönlichkeiten im Programm, aber auch Geschichtsthemen. Einige dieser Filme sind durchaus für 20.15 Uhr geeignet. Ich bin übrigens auch ein Fan der „story“ und glaube, dass einige Beiträge dieser Doku-Reihe Potenzial für 20.15 Uhr haben.
Bei der Entwicklung neuer Formate stellt sich die Frage nach einem Talentschuppen. Was eignet sich besser: das WDR Fernsehen oder neue Kanäle wie Einsfestival?
Monika Piel: Beide sind auf unterschiedliche Weise Talentschmieden fürs Erste. Das WDR Fernsehen wird so gut gesehen, dass man sich da ein Scheitern kaum erlauben kann. Bei Einsfestival ist das anders. Da ist das Publikum kleiner, da kann man sich in Ruhe ausprobieren. Es kann auch mal eine Bemerkung daneben gehen, ohne dass gleich alle über einen herfallen. Bei Einsfestival richten wir gerade eine trimediale Redaktion ein, also auch für Radio und Internet. Unsere 1Live-Leute machen zwar kein Fernsehen, aber sie wissen, welche Themen bei Jüngeren ankommen.
Der Aufregungs-Tsumani um den Umbau der Kulturwelle WDR 3
Beim Hörfunk hat es zuletzt einen Aufregungs-Tsunami um die Reform bei WDR 3 gegeben. Haben Sie damit gerechnet?
Monika Piel: Auf gar keinen Fall. Aus meiner Sicht ist das, was da geplant ist, keine grundlegende Änderung. Es geht vielleicht um gerade mal vier Prozent des Programms. Möglicherweise haben wir dies nicht ausreichend kommuniziert. Da haben wir inzwischen nachgebessert. Mit den Reaktionen haben wir uns ernsthaft auseinandergesetzt und werden dies weiterhin tun. Die grundsätzliche Verantwortung für ein Programm darf man sich nach meiner Überzeugung aber nicht aus der Hand nehmen lassen.
Warum sind aus Ihrer Sicht Änderungen bei WDR 3 nötig?
Monika Piel: WDR 3 steht nicht unter Quoten-Druck. Aber auch bei einem Kulturradio gibt es Potenzial, denn fünf Prozent der Menschen in Deutschland sind, das belegen Studien, kulturinteressiert. Die möchten wir möglichst erreichen und natürlich auch nicht auf jüngeres Publikum verzichten.
Es geht um eine grundsätzliche Angst um die Zukunft des Kulturradios
Kritiker befürchten Verflachung.
Monika Piel: WDR 3 wird seiner Rolle als Kulturplattform für NRW weiterhin voll gerecht werden. Wie bei allen unseren Programmen gibt es keine Einsparungen am Etat, aber auch keine Zuwächse. Wenn man unter solchen Voraussetzungen etwas Neues macht, muss man sich also die Frage stellen, auf was verzichte ich im Gegenzug? WDR 3 soll beispielsweise am Sonntag ein aktuelles Kulturmagazin bekommen und einen besseren Online-Auftritt. Und dafür muss an anderer Stelle etwas wegfallen. Am grundsätzlichen Charakter wird sich dadurch nichts ändern.
Warum dann die Aufregung?
Monika Piel: Wir haben analysiert, dass es nicht nur um WDR 3 ging. Es geht vielmehr um ein grundsätzliches Unbehagen: Wie sieht die Zukunft des Kulturradios aus? Ein Teil des Publikums, der sich sehr stark an der Hochkultur orientiert, hat offenbar Angst, etwas zu verlieren. Zur Kultur gehört auch, dass sie gesellschaftlichen Wandel widerspiegelt. Dies gilt auch für ein modernes Kulturradio. Es braucht also stetige Veränderung. Dabei werden wir versuchen, den Kulturschaffenden weiterhin eine Heimat zu bieten.
Kritik an den Online-Angeboten des Ersten
Beim Ausbau der Online-Angebote tut sich eine Menge, und das ruft Kritiker auf den Plan. So heißt es beispielsweise, die ARD bietet zur EM zu viele Livestreams an.
Monika Piel: Bei der EM streamen wir das, was ohnehin im Programm läuft sowie die täglichen DFB-Pressekonferenzen. Es ist ein Angebot für die Zuschauerinnen und Zuschauer – insbesondere auch für die Jüngeren –, die die Spiele lieber im Internet oder unterwegs verfolgen. Grundsätzlich ist es so, dass unsere Online-Aktivitäten schon aufgrund der engen finanziellen Spielräume begrenzt sind.
Die EM läuft super, Thomas Gottschalk dagegen floppte. Wer hat's verbockt?
Monika Piel: Da hat niemand etwas „verbockt“. Ich bleibe dabei, man muss den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren. Es ist schade, dass es nicht funktioniert hat.
Hätte Gottschalk früher am Schräubchen drehen müssen, als sich das Desinteresse stabilisierte?
Monika Piel: Eher seine Produktionsfirma. Das ist schon richtig. Es war eine volle Auftragsproduktion. Da hätte man früher reagieren können. Im Nachhinein ist man schlauer.
Baustelle Abend-Unterhaltung: Selbst Opdenhövel hat es schwer
Geht Talk am Vorabend gar nicht mehr?
Monika Piel: Der Vorabend ist generell schwierig geworden, selbst die Krimis haben es in der Akzeptanz nicht leicht. Scripted Reality, wie sie die pivaten Sender bieten, ist eine starke Konkurrenz. Aber Scripted Reality kommt für uns als öffentlich-rechtlicher Sender nicht in Frage. Es gibt im Moment insgesamt viele Umbrüche.
Was meinen Sie damit?
Monika Piel: Auch Abendshows tun sich schwer. Wir sind beispielsweise mit Matthias Opdenhövel sehr zufrieden, Konzept und Machart stimmen. Aber zugleich müssen wir die Frage lösen, welches Unterhaltungsformat sowohl ein jüngeres als auch ein älteres Publikum gleichermaßen anspricht.
Ein weiteres Problemfeld ist die Talk-Leiste. Selbst ARD-Gremien meckern inzwischen. Sind fünf Talkshows eine zuviel?
Monika Piel: Nicht aus Sicht des Publikums, von dem die deutliche Mehrheit der Talkshows sehr gut akzeptiert wird. Es ist jetzt insgesamt auch noch zu früh, darüber zu reden – wir haben im Intendantenkreis beschlossen, Ende des Jahres über das Talkshowschema zu beraten.
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