Bochum. . Die dunklen Tage im Herbst und Winter schlagen vielen Menschen auf das Gemüt. Sie fühlen sich schlapper als sonst, sind häufig müde, haben ein größeres Schlafbedürfnis. Ein Experte erklärt, wie es dazu kommt und was Sie dagegen unternehmen können.
Der November und der Dezember sind hierzulande die sonnenärmsten Monate. Viele fahren morgens im Dunkeln zur Arbeit und kehren abends erst in der Dunkelheit zurück. Kaltes, graues, ungemütliches Wetter gehört ebenfalls zum Herbst und Winter. So mancher fühlt sich in dieser Zeit kraftloser und in der Stimmung gedrückter als im Sommer. Stichwort: Winterblues. Wie sich dieser äußert, was man dagegen unternehmen kann und wann es sich um eine echte Herbst- und Winterdepression handelt, erklärt der Depressions-Experte Prof. Georg Juckel, Psychiater und Psychotherapeut, Direktor des LWL-Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum.
Wie äußert sich Winterblues?
Die Menschen fühlen sich schlapper als sonst, sind häufig müde, haben ein größeres Schlafbedürfnis. Viele greifen auch häufiger zu Süßigkeiten.
Wann handelt es sich um eine Herbst-/Winterdepression?
Eine echte Herbst-/Winterdepression ist eher selten. Nach Schätzungen leidet allenfalls etwa ein Prozent der Deutschen darunter. Wichtig ist: Depressionen sind nicht – wie der Winterblues – nur eine Befindlichkeitsstörung. Sie sind eine ernste Erkrankung, die vom Hausarzt, am besten aber von einem Psychiater behandelt werden sollte. Ausgelöst wird eine Herbst-/Winterdepression durch den Lichtmangel, Temperatur-Veränderungen und Veränderungen in der Natur – draußen ist es eben unwirtlicher als im Sommer.
Menschen mit einer Herbst-/Winterdepression klagen über Antriebsschwäche, Konzentrations- und Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, innere Leere, aber auch über ein Getriebensein. Ein Anzeichen für die Erkrankung ist auch ein sozialer Rückzug.
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Welche Rolle spielt das Serotonin?
Bei Menschen mit Depressionen liegt unter anderem ein Serotonin-Mangel im Gehirn vor. Botenstoffe wie Serotonin leiten Nervensignale im Gehirn weiter. Mit einer antidepressiven Behandlung, etwa mit einer Lichttherapie, soll dieser Botenstoff angekurbelt werden.
Wenn Tageslicht fehlt, bleibt der Mensch müde
Wie wichtig ist Licht?
Licht spielt eine große Rolle. Unser Körper reagiert im Herbst und Winter auf den Lichtmangel. Der fehlende Sonnenschein mindert nicht nur die Produktion des Botenstoffes Serotonin, sondern stört auch den so genannten Melatonin-Haushalt des Körpers. Dieses Hormon schüttet der Körper vor allem nachts aus. Es dient dann dem Einschlafen. In den lichtarmen Monaten baut der Körper das überschüssige Melatonin tagsüber nicht ausreichend ab. Die Folge: Der Mensch bleibt müde und antriebsarm, die innere Uhr tief im Gehirn funktioniert nicht mehr richtig. Das hormonelle Gleichgewicht im Gehirn kommt in eine Schieflage.
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Was hilft gegen Winterblues?
Wie gesagt: In unserem Körper läuft eine Vielzahl von biochemischen Prozessen ab, die durch das Sonnenlicht gesteuert und durch mangelndes Tageslicht gestört werden. Deshalb sollte man auch in der dunklen Jahreszeit möglichst viel an die frische Luft gehen. Schon eine Stunde täglich – auch an trüben Tagen – ist ein guter Stimulus. Wer mehr Zeit hat, sollte häufiger rausgehen. Natürlich ist auch eine vitaminreiche Ernährung zu empfehlen. Dazu wirken sich Omega-3-Fettsäuren positiv auf die Funktionsfähigkeit der Nervenzellen im Gehirn aus. Omega-3-Fettsäuren stecken zum Beispiel in Fettfischen wie Lachs, Hering und Thunfisch.
Wer mag, sollte auch Sport treiben. Es reicht aber ein ausgiebiger Spaziergang. Helle, frische Farben tun der Seele ebenfalls gut.
Wem hilft eine Lichttherapie?
„Die setzen wir im Krankenhaus primär bei Menschen ein, die unter einer echten Herbst-/Winterdepresion leiden“, so Prof. Georg Juckel. Die Therapielampen sind spezielle Leuchten mit einer Beleuchtungsstärke von 10 000 Lux. Die Lux-Stärke entspricht der des Tageslichtes. Zum Vergleich: In künstlich beleuchteten Räumen hat man zwischen 500 und 600 Lux. Die Bestrahlung mit Licht sorgt unter anderem auch dafür, dass der Serotonin-Spiegel im Körper angehoben wird. Aber auch die Hormone Melatonin und Cortisol normalisieren sich wieder. Cortisol ist das wichtigste Stresshormon, das sowohl bei psychischem als auch bei körperlichem Stress ausgeschüttet wird.
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Wichtig: Für Menschen, die Winterblues und keine Depression haben, ist eine Lichttherapie total übertrieben. Das Geld, das die private Anschaffung einer solchen Lampe kostet, sollte man sich sparen.
Schokolade beruhigt und macht glücklich
Seelentröster Schokolade?
Es gibt keine Stoffe in der Schokolade, die eine ganz direkte Wirkung auf das Gehirn haben. Dennoch fühlen sich viele Menschen beim Schokoladeessen beruhigt und glücklich. Sie mögen Schokolade, ihren süßen Geschmack, das Aroma. So gewinnt Schokolade an emotionaler Bedeutung. Sobald sie gegessen wird, reagiert das sogenannte Belohnungssystem im Gehirn. Dabei schütten die Hirnzellen einen bestimmten Botenstoff aus, zum Beispiel das Serotonin. Also: Das Glücksgefühl beim Schokoladeessen entsteht durch diesen Vorgang im Gehirn.
Depressionen – Wenn die Seele Trauer trägt
Jeder vierte bis fünfte Deutsche erkrankt mindestens einmal im Leben an einer Depression, betont der Psychiater Prof. Georg Juckel. Depressionen können durch zahlreiche Anzeichen auf sich aufmerksam machen. Etwa durch eine allgemeine Lustlosigkeit, Niedergeschlagenheit, durch eine Unfähigkeit zur Freude, einen Hang zum Grübeln oder zu Selbstvorwürfen, aber auch durch ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Dauert dieser Zustand länger als vier bis sechs Wochen an, kann dies auf eine depressive Erkrankung hinweisen.
„Viele Patienten, vor allem Männer, klagen übrigens zunächst weniger über seelische als über körperliche Störungen“, so Juckel. Typische Beschwerden seien Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Probleme, Atembeschwerden, Potenz- oder Menstruationsstörungen. Auch eine innere Unruhe, Schluckbeschwerden (Kloßgefühl), Tinnitus, Gliederschmerzen oder ein Schweregefühl in Armen und Beinen könnten darauf hindeuten, dass die Seele Trauer trägt, erklärt Psychiater Georg Juckel. Wenn bei solchen Beschwerden – trotz intensiver medizinischer Untersuchung – keine organischen Ursachen gefunden werden, sollte der Arzt auch an eine Depressions-Erkrankung denken. Ein Problem: Depressionen werden häufig vom Betroffenen selbst als solche nicht erkannt und der Arzt daher auch nicht darauf hingewiesen. Depressive neigen zudem dazu, sich abzukapseln, keine Freunde mehr zu besuchen, keine Hobbys mehr zu pflegen. Einsamkeit verschlimmert die Situation jedoch. Juckel: „Man sollte auf jeden Fall das Gespräch mit einem Arzt suchen und die Erkrankung auch nicht aus Scham vor der Familie, vor Freunden, dem Chef oder den Kollegen verheimlichen.“