Mainz. . Ritualmord und Ehe-Drama: Regisseur Matti Geschonneck bietet mit „Eine Frau verschwindet“ (ZDF, Montag, 20.15 Uhr) großes Fernsehen. Peter Haber und Maja Maranow setzen ein perfektes Drehbuch perfekt um.

Der Kernsatz fällt fast beiläufig, in der Mitte des Films. „Ich suche zwei Phantome“, sagt der niederländische Kommissar van Leeuwen (Peter Haber), „eines heißt Sandro, und von dem anderen weiß ich nicht mal, wie es heißt.“

Regisseur Matti Geschonneck verknüpft in seinem Psycho-Thriller zwei Ebenen miteinander: Einerseits muss der Amsterdamer Kommissar einen bizarren Mordfall aufklären, andererseits versucht er Licht in ein trübes Kapital seiner Ehe zu bringen. Seine Gattin (Maja Maranow) hatte vor Jahren eine Affäre, die durch puren Zufall aufkippt. Beide Ebenen sind miteinander verknüpft. Dem Toten wurde, wie bei einem Ritualmord, das Hirn entnommen, und seine Gattin leidet an Alzheimer. Die Hirn-Erkrankung sorgt dafür, dass Simone van Leeuwen die Erinnerung, die Persönlichkeit verliert.

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Was hat Hitchcock mit dem Film zu tun?

„Eine Frau verschwindet“ (ZDF, 20.15 Uhr) hat Geschonneck den Film genannt. Eine Hommage an Altmeister Hitchcock, der einen seiner Klassiker „The Lady Vanishes“ (Eine Dame verschwindet) nannte? Geschonneck nimmt für sich zur Beantwortung der Frage Zeit. Der 60-Jährige, der in diesem Jahr gleich drei wichtige Preise abräumte, antwortet bedächtig: „Ach, wissen Sie, der Titel ist zufällig entstanden, es war unbeabsichtigt.“ Als ZDF-Filmchef Reinhold Elschot ihn gebeten habe, den Inhalt des Films in einem Satz zusammenzufassen, habe er geantwortet: „Eine Frau verschwindet.“ Tatsächlich lernte Geschonneck Hitchcock eher spät kennen und schätzen. Der Potsdamer Geschonneck entstammt einer DDR-Intellektuellenfamilie, studierte in Moskau. Als Vorbild nennt er Jean-Pierre Melville: „Seine Filme beeindrucken mich immer wieder, werden nicht alt.“

Spannung steht im Vordergrund

Der französische Regisseur arbeitete den Kampf der Résistance gegen die deutschen Besatzer auf und gab dem amerikanischen Gangster-Film einen französischen Akzent. Jean-Paul Belmondo, Lino Ventura und nicht zuletzt Alain Delon stehen dafür. Melville erzählte seine Geschichten stets spannend. Und das wollen Geschonneck und Elschot auch. Regisseur und Programmmacher ergänzen sich: „Diese enge Zusammenarbeit setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. In der Entwicklung von Ideen, bei der Realisierung verstehen wir uns fast blind, unser Austausch benötigt wenige Worte.“

Das Ergebnis lässt sich sehen, im doppelten Sinn. Die Story besitzt einen magischen Sog. Geschonneck und sein niederländischer Kameramann Theo Bierken fanden die passenden Bilder dazu. Sie kontrastieren ihre melancholische Krimi-Ballade mit einer Stadt in leuchtenden Frühlingsfarben jenseits der Touristen-Klischees.

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Geschonneck plant Krimi für Düsseldorf

Auch die Wohnungseinrichtung der Leeuwens verströmt mit geschmackvollen Antiquitäten eine herzwärmende Gutbürgerlichkeit, die das Ehe-Drama umso schmerzhafter erscheinen lässt.

Peter Haber und Maja Maranow verwandeln ihre Figuren in Menschen, die, im Gegensatz zum ungewöhnlichen Krimi, dem Alltag entsprungen zu sein scheinen. Das ZDF glaubt an den Erfolg des Films und plant eine Fortsetzung.

Geschonneck wiederum beschäftigt sich demnächst nicht nur mit Amsterdam, sondern auch mit Düsseldorf. Er entwickelt einen Nachfolger für den „Stolberg“. Die Landeshauptstadt ist Geschonneck vertraut. Er drehte dort das preisgekrönte Vergewaltigungsdrama „Das Ende einer Nacht“.