München. Der “Fall Mehmet“ sorgte in den 90er Jahren bundesweit für Schlagzeilen. Schon vor seinem 14. Geburtstag hatte Muhlis A. mehr als 60 Straftaten verübt. Um der Haft zu entgehen setzte er sich 2005 in die Türkei ab. Jetzt will der 28-Jährige zurück. Er bereue seine Taten, sagt sein Anwalt.

Der als "Mehmet" bekannt gewordene Serienstraftäter Muhlis A. will aus der Türkei nach Deutschland zurückkehren. Sein Anwalt Burkhard Benecken bestätigte am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dapd, er werde in den kommenden Tagen bei den Behörden entsprechende Anträge stellen. Muhlis A. sagte außerdem der "Süddeutschen Zeitung", er bereue seine Taten und wolle nun wieder nach München.

Der in der bayerischen Landeshauptstadt geborene Türke hatte in den 90er Jahren bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil er bis zu seinem 14. Geburtstag bereits rund 60 Gewalttaten, Diebstähle und Erpressungen verübt hatte. 2005 war der heute 28-Jährige zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, weil er seine Eltern verprügelt hatte. Die Strafe trat Muhlis A. jedoch nicht an, sondern setzte sich in die Türkei ab, wo bis er heute lebt.

Falls "Mehmet" jetzt nach Deutschland einreisen sollte, müsste er mit seiner Festnahme rechnen. Mit einem Antrag bei der Staatsanwaltschaft möchte sein Anwalt erreichen, dass der Haftbefehl zum Ende des Jahres ausgesetzt wird.

Sauberes türkisches Führungszeugnis

Benecken argumentiert, dass sein Mandant bei seiner Verurteilung erst 21 Jahre alt war und "besondere Härte der Justiz" erfahren habe. Muhlis A. sehe ein, schwere Fehler gemacht zu haben und sei in der Zwischenzeit nicht mehr straffällig geworden. Dies werde er mit einem "sauberen türkischen Führungszeugnis" nachweisen.

Neben dem Haftbefehl besteht allerdings noch eine Ausweisungsverfügung der Stadt München, die eigentlich unanfechtbar ist. Benecken will in einem Antrag an die Ausländerbehörde auf ein Abkommen zwischen der Türkei und Deutschland aus dem Jahr 2005 verweisen. Demnach sind der Ausweisung türkischer Staatsbürger inzwischen sehr hohe Hürden gesetzt. Nach derzeitiger Rechtslage sei es undenkbar, "Mehmet" abzuschieben, betonte der Anwalt.

"Fall Mehmet" spaltete die Politik

Wegen seiner zahlreichen Straftaten hatte "Mehmet" eine politische Debatte über den Umgang mit ausländischen Jugendstraftätern ausgelöst. Mehrere CSU-Politiker wie der damalige Innenminister Günther Beckstein setzten sich vehement für die Abschiebung von Muhlis A. ein, Oppositionspolitiker waren strikt dagegen.

1998 wurde der inzwischen strafmündig gewordene Jugendliche in die Türkei abgeschoben. Vier Jahre später kehrte er nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach München zurück, wurde allerdings wieder straffällig und floh schließlich 2005 in die Türkei.

Pseudonym um "Mehmets" Identität zu schützen

Muhlis A., dem Behörden und Medien einst das Pseudonym "Mehmet" gegeben hatten, um seine Identität zu schützen, lebt laut "Süddeutscher Zeitung" heute bei Istanbul und betreibt eine Paintball-Anlage. Für den Fall seiner Rückkehr habe er konkrete Pläne: Er wolle kriminellen Münchner Jugendlichen dabei helfen, wieder auf die richtige Bahn zu kommen, hieß es.

Der "Fall Mehmet" in der Chronik zum Nachlesen 
  • 5. Juli 1998: Muhlis A., dem die Behörden den Decknamen "Mehmet" gegeben haben, begeht kurz nach seinem 14. Geburtstag seine 62. Straftat in Deutschland: Er überfällt mit Freunden einen Schüler. Es ergeht erstmals Haftbefehl. Kurz darauf lehnt die Stadt München es ab, die Aufenthaltserlaubnis "Mehmets" zu verlängern. Damit wird der jugendliche Straftäter zur sofortigen Ausreise verpflichtet.
  • 14. November 1998: In Begleitung von drei Bundesgrenzschutzbeamten wird "Mehmet" mit einem Linienflug ohne seine Eltern nach Istanbul gebracht.
  • 15. Januar 1999: Das Bundesverfassungsgericht wertet die Ausweisung nachträglich als rechtmäßig und nimmt eine Verfassungsbeschwerde nicht an.
  • 12. November 1999: "Mehmets" Anwalt kündigt an, bis vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, um die Rückkehr seines Mandanten zu erzwingen. Der Junge lebt in der Türkei völlig allein und arbeitet in einer Lackiererei.
  • 15. November 2001: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheidet, dass dem inzwischen 17-Jährigen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist. Es gehe von ihm derzeit kaum eine Gefahr durch schwere Straftaten aus. Damit werden gegenteilige Bescheide der Landeshauptstadt München aufgehoben.
  • 16. Juli 2002: Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin weist eine Beschwerde der Landesanwaltschaft und der Stadt München ab. Damit darf "Mehmet" nach Deutschland zurückkehren.
  • 3. März 2005: Gegen den inzwischen 20-Jährigen wird in München Haftbefehl wegen räuberischer Erpressung und Bedrohung erlassen. Nach Polizeiangaben schlug und bedrohte er am Vortag seine Eltern in deren Wohnung im Stadtteil Neuperlach, weil sein Vater einen von ihm geforderten Geldbetrag nicht zahlen wollte.
  • 2. Juni 2005: "Mehmet" wird unter anderem wegen räuberischer Erpressung seiner Eltern vor vom Münchner Jugendgericht zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Bis zur Entscheidung, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, kommt er frei. Wegen Verletzung der gerichtlichen Auflagen wird später die Bewährung verweigert.
  • 18. Januar 2006: "Mehmet" wird wieder von der Polizei gesucht. Der inzwischen 21-Jährige setzt sich kurz vor Antritt der Haftstrafe in die Türkei ab und wird deshalb zur Fahndung ausgeschrieben.
  • 18. August 2006: Eine von der Stadt München erlassene Ausweisungsverfügung wird rechtskräftig, da der auf der Flucht befindliche Mehmet keine Rechtsmittel einlegt.
  • 17. September 2012: "Mehmets" Anwalt kündigt Anträge bei der Staatsanwaltschaft und der Stadt München an, um die Rückkehr seines Mandanten nach Deutschland zu ermöglichen. (dapd)