Hattingen. . Im Interview spricht Strafverteidiger Gregor Hanisch darüber, warum statt Warnschussarrest lieber das Bewährungspaket enger geschnürt werden sollte.
Der jüngst von der Politik beschlossene Warnschussarrest für Jugendliche stößt bei Fachleuten auf ein geteiltes Echo. Wir haben ein Gespräch mit dem Hattinger Strafverteidiger Dr. Gregor Hanisch geführt. Er kennt sich aus mit dem Jugendstrafrecht, etwa die Hälfte seiner Mandanten sind Jugendliche.
Herr Hanisch, was halten Sie vom Warnschussarrest?
Hanisch: Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass das Jugendgerichtsgesetz drei Stufen von Sanktionen vorsieht. Die niedrigste Stufe sind Erziehungsmaßregeln. Dazu zählen Sozialstunden oder andere Weisungen, etwa dass der Jugendliche sich einen Ausbildungsplatz suchen muss oder an einem Anti-Gewalt-Training teilnehmen muss. Solche Erziehungsmaßnahmen werden in der Regel dann angewendet, wenn Jugendliche erstmals vor Gericht stehen und die Tat nicht gravierend war, ein Ladendiebstahl oder eine kleinere Schlägerei etwa.
Was ist die zweite Stufe der Sanktionsmöglichkeiten?
Wenn die erste Stufe nicht ausreicht, weil es schon die zweite Tat ist oder weil die Tat schlimmer war, beispielsweise ein Raub, also eine Wegnahme mit Gewalt, werden „Zuchtmittel“ eingesetzt. Das kann die Erteilung von Auflagen sein, eine Schadenersatzzahlung an den Geschädigten oder das schärfste Zuchtmittel: Jugendarrest, etwa ein Freizeitarrest zum Beispiel an einem Wochenende oder zwei bis vier Wochen Dauerarrest.
Und wann kommt die dritte Sanktionsstufe zum Einsatz?
Wenn bei einem Raub eine Gaspistole zum Einsatz kam oder zugeschlagen wurde, reicht der Dauerarrest oft nicht mehr. Die dritte und letzte Stufe ist eine Jugendstrafe. Allerdings wird sie, wenn der Jugendliche erstmalig mit einer Jugendstrafe konfrontiert wird, meist auf Bewährung ausgesetzt. In der Bevölkerung wird das dann aber oft wie ein Freispruch wahrgenommen, daher kam auch die Idee zum sogenannten Warnschussarrest.
Wie ist denn nun Ihre Meinung zum Warnschussarrest?
Der Anwendungsbereich wird nicht sehr häufig sein. Sehr viele Jugendliche haben die Erfahrung Arrest schon hinter sich, wenn sie zu einer Jugendstrafe verurteilt werden. Jugendstrafe auf Bewährung ist ja Stufe 3. In einem normalen Fall wurden dann Stufe 1 und 2 (Jugendarrest) schon durchlaufen. Jetzt gibt es aber auch Fälle, in denen die erste Konfrontation mit dem Gericht gleich wegen einer schweren Gewalttat ist. Ich will also nicht ausschließen, dass es Fälle gibt, in denen der Warnschussarrest etwas bewirkt, aber diese Fälle sind in der Minderzahl. Es soll ja, so heißt es von der Bundesregierung, ein Impuls beim jugendlichen Straftäter gesetzt werden sein Verhalten zu ändern. Dafür ist ein Arrest doch viel zu kurz und es fehlt auch das Personal. In maximal vier Wochen kann man doch nicht sinnvoll mit den Jugendlichen arbeiten. Außerdem kommen sie dort mit Menschen zusammen, die sie noch auf ganz andere Gedanken bringen könnten.
Sie sind also gegen den Warnschussarrest?
Ich meine, im Jugendarrest lernt man nichts, aber auch gar nichts, was einen weiterbringt.
Was ist denn die Alternative?
Ich wäre dafür, dass bei der Jugendstrafe auf Bewährung das Verpflichtungspaket sehr eng geschnürt wird. Sozialstunden, so dass die Jugendlichen eine richtige Tagesstruktur lernen. Auseinandersetzung mit den Grundübeln, also Suchtberatung bei Drogen- oder Alkoholproblemen und Bewährungshilfe natürlich. Ich weiß ja nicht, wie die Praxis sich entwickelt, aber Warnschussarrest und sonst nichts, das halte ich für völlig sinnlos.
Sie verteidigen viele Jugendliche, wie stehen die Eltern Ihrer Mandanten zur Bestrafung ihrer Kinder?
Das ist unterschiedlich. Kinder aus Problemfamilien kommen eigentlich immer ohne Eltern. Anders ist das in den Fällen, in denen die Probleme nicht finanziell bedingt sind. Da kommt in der Regel mindestens ein Elternteil mit. Manche Eltern sagen, ein paar Sozialstunden tun meinem Kind gut, es soll ruhig mal richtig arbeiten lernen. Aber es gibt auch das Gegenteil: Eltern, die sich partout nicht eingestehen können, dass ihr Kind tatsächlich getan haben soll, was ihm vorgeworfen wird. Ich hatte mal einen Vater hier, der wollte für seinen Sohn am liebsten 25 Entlastungszeugen haben. Es hat lange gedauert, bis ich ihm klarmachen konnte, dass seinem Sohn die angeklagte Tat bestimmt nachgewiesen wird. Und das Gericht hasst nichts so sehr wie Falschaussagen.
Wünschen Sie Ihre Mandanten, dass sie bestraft werden?
Wenn eine Tat wirklich schuldhaft begangen wurde, dann sollte sich nicht folgenlos bleiben. Das würde unsere Gesellschaft nicht verkraften. Das sehe ich auch als Strafverteidiger so.
Was ist das für ein Gefühl jemanden zu verteidigen, der wegen Mordes oder Totschlags angeklagt wird?
Ich sehe dann nicht mehr die Tat, sondern den Menschen, der mir gegenübersitzt, stockend von der Tat erzählt und oft auch dabei weint. Es gibt Mandanten, die mir sympathisch oder unsympathisch sind, aber natürlich bekommen alle dieselbe Verteidigung.