Castrop-Rauxel. . Die Castrop-Rauxeler Jugendrichterin Romie Bähner hält von der neuen Möglichkeit, jugendliche Straftäter zur Abschreckung für kurze Zeit hinter Gitter zu bringen, nicht viel. Sie setzt stattdessen auf andere Methoden.
Der jüngst beschlossene „Warnschussarrest“ für jugendliche Straftäter ist in Fachkreisen höchst umstritten. Auch Romie Bähner, Jugendrichterin am Amtsgericht Castrop-Rauxel sieht die Gesetzesverschärfung als kritisch an. Wir wollten wissen, warum.
Frau Bähner, Sie arbeiten seit über 20 Jahren als Jugendrichterin in Castrop-Rauxel. Was halten Sie vom Warnschussarrest?
Romie Bähner: Der Warnschussarrest ist nicht nützlich. Er ist dem bestehenden Jugendstrafrecht fremd. Es gibt ja auf der einen Seite viele Möglichkeiten der Bestrafung wie Erziehungsmaßnahmen, Zuchtmittel oder Auflagen. Gemeinnützige Arbeit beispielsweise. Dann gibt es ja noch den Jugendarrest als Zuchtmittel, tageweise, an Wochenenden oder zwischen einer und vier Wochen. Der wird für mittelschwere Sachen ausgesprochen. Auf der anderen Seite haben wir für schwerere Taten die Jugendstrafe. Wenn zum Beispiel jemand eine Oma überfallen hat und die auf der Straße liegengeblieben ist. Die Jugendstrafe bedeutet Gefängnis, sie kann aber auch bis zu zwei Jahre zur Bewährung verkündet werden. Dann muss aber die Sozialprognose stimmen. Wir gucken uns das Umfeld des Straftäters, den Bekanntenkreis und auch die Eltern genau an.
Und der Warnschussarrest?
Der widerspricht dieser Systematik. Wenn ich eine Strafe zur Bewährung ausspreche, beinhaltet die Entscheidung doch, dass die Vollstreckung nicht für nötig gehalten wird. Und jetzt vollstreckt man doch etwas. Der Jugendarrest soll dem Straftäter ja die Folgen seiner Tat deutlich machen, ihm vor Augen führen, wie hart eine Gefängnisstrafe ist.
Alle Leute, die in den Jugendarrest kommen, sind vorher auch schon mindestens einmal eingesperrt worden. Hier lohnt ein Blick auf die Statistik, was das bringt. Die Rückfallquote liegt bei Bewährungsstrafen bei 60 Prozent, bei Arrest aber bei 70 Prozent.
Macht es dann überhaupt Sinn, jugendliche Straftäter für vier Wochen hinter Gitter zu verbannen?
Eigentlich ist keiner so dumm, dass er sich nicht vorstellen kann, wie so ein Arrest aussieht. Vier Wochen im Gefängnis, das hat keinen praktischen Nutzen. Wie soll ich etwas in vier Wochen aufarbeiten, was seit Jahren schief gelaufen ist?
Was ist besser?
Die Betroffenen müssen aus ihrer Situation heraus, in ein anderes Viertel ziehen und mit dem alten Bekanntenkreis brechen.
Gibt es nicht auch in der bisherigen Bewährungsstrafe Daumenschrauben, die man anziehen kann, wenn es nicht klappt?
Aber ja. Wenn der Straftäter beispielsweise alle Einladungen des Bewährungshelfers ignoriert, dann kann man auch hier Dauerarrest für ein bis vier Wochen anordnen. Aber bitte doch erst dann, wenn ich merke, es läuft nicht. Zuerst muss ich dem Jugendlichen doch einmal eine Chance zur Bewährung geben. Der Warnschussarrest ist in etwa so, als wenn eine Mutter ihrem Sohn eine Ohrfeige als Vorsichtsmaßnahme gibt, bevor er etwas ausgefressen hat.
Warum hat die Politik denn Ihres Erachtens den Jugendarrest trotz aller Einwände auf den Weg gebracht?
Mag sein, dass die Politik zeigen wollte: Wir tun etwas. In Wirklichkeit geht die Straffälligkeit von Jugendlichen aber zurück, außer bei Gewaltdelikten.
Hintergrund
Das Gesetz, das die jugendgerichtlichen Sanktionsmöglichkeiten durch den Warnschussarrest erweitert, wurde am 6. Juli 2012 vom Bundesrat gebilligt.
Dadurch soll neben einer Jugendstrafe auf Bewährung auch ein Jugendarrest möglich werden, der jugendliche Straftäter dazu bringt, ihr Verhalten zu ändern.