Mainz. . „Terra X“ ist am frühen Sonntagabend aus deutschen Wohnzimmern nicht mehr wegzudenken – seit exakt 30 Jahren. Aber ist alles Gold, was in der ZDF-Reihe glänzt? Wie ist der Langzeit-Erfolg zu erklären? Und wo sind Schwächen der Reihe? Grimme-Chef Uwe Kammann gibt Antworten.

Die ZDF-Dokureihe „Terra X“ (Sonntag, 19.30 Uhr) läuft zur besten Sendezeit, fährt überdurchschnittlich gute Quoten ein und ist seit exakt 30 Jahren zu sehen. Über Licht und Schatten der Reihe sprach Grimme-Chef Uwe Kammann mit Jürgen Overkott.

Wie ist dieser Langzeit-Erfolg zu erklären?
Da kommen einige Faktoren zusammen. Das geht vom sehr einprägsamen und attraktiven Reihentitel, in dem Abenteur und Geheimnis mitschwingt, bis zur ausgesprochen opulenten filmischen Aufbereitung. Dazu gehört natürlich auch der optimale Sendeplatz am Sonntagabend, eine zentrale Schaubühne der Extraklasse – besser geht’s nicht.

Was hat die ZDF-Reihe geleistet?
Sie hat vor allem archäologisch-wissenschaftliche Themen populär gemacht, hat Geschichte ins Saftige verwandelt, ganz in der Fortsetzung eines Buches wie „Götter, Gräber und Gelehrte“. Das musste man früher einfach gelesen haben – Bildung als buntes Abenteuer, als lebendiges Drama.

Nicht selten schematisch und überdramatisiert

Wo hat die Reihe Schwächen?
Die Dramaturgie ist nicht selten schematisch und überdramatisiert. Die Geschichte des mühseligen Suchens oder die pathetische Präsentation treten oft ganz in den Vordergrund, damit wird das Entdeckte, wird der Kern der Sache oder des Geschehens überlagert. Und das Fiktionale – im Erfinden und Nachspielen von Szenen – überschminkt das Dokumentarische oftmals allzu grell.

Uwe Kammann vom Grimme-Institut
Uwe Kammann vom Grimme-Institut © Institut

Wie populär darf, wie populär muss Info-Fernsehen zur besten Sendezeit sein? Da gibt es keine feste Regel. Klar ist aber: Wer auf diesem Sendeplatz zu sparsam und sperrig, zu rigide und dogmatisch, zu akademisch und schmallippig auftritt, hat schon verloren. Er würde nur für den kleinsten Kreis der Eingeweihten und Kundigen predigen – und das wäre verschenkt.

Kerkeling wirkt merkwürdig uninspiriert

Zuletzt hat „Terra X“ versucht, Hape Kerkeling als Präsentator Geschichte mit Comedy aufzupeppen. Ist der Versuch geglückt?
Leider gar nicht. Kerkeling wirkte merkwürdig uninspiriert und verquer, das Gesamtunternehmen erinnerte an einen Schnittmusterbogen, nur mäßig animiert und ziemlich grob in den Details. Das Setzen auf einen Unterhaltungsstar war ein Missverständnis. Denn das Unterhaltende muss in der Geschichte und im Geschehen stecken, nicht im Rahmen.

Welche Themen fehlen?
In der Form überraschende Expeditionen in die gegenwärtigen Gesellschaften und ihre so unterschiedlichen Lebensformen, rund um die Erde. Aufregende Vergleiche wären möglich, so sinnliche wie zugleich analytische Beobachtungen und Vergleiche, Strukturbilder ganz ohne Worte – Lebensmodelle in vergleichender Form, mal statisch, mal dynamisch. Vieles auf der Welt ist weiterhin unbekannt, ist terra incognita, trotz unserer medienversessenen Zeit. Das X der Sendung lässt sich noch hundertfach anders buchstabieren.